nah, neugierig & Negroni

Friedl Wynants

#1: Wie lernen wir, was Sprache über unser Gegenüber verrät? An der Bar mit Sprachprofiler Patrick Rottler

28.02.2024 42 min

Video zur Episode

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Zusammenfassung & Show Notes

Was verrät die Sprache über unser Gegenüber und was passiert, wenn Texte zu Tatorten werden? Darüber spreche ich mit Patrick Rottler; er ist Sprachprofiler und überführt Täter/-innen anhand ihrer Sprachmuster.  

Du willst mehr zur Arbeit Sprachprofilern erfahren und wie sie Täter/-innen anhand ihrer Worte überführen? Dann hole dir gleich ein Ticket für das Event „Wenn Worte töten" mit Patrick und seinem Kollegen Ex-Geheimagent Leo Martin in München (06. März 2024) und Bremen (27. April 2024). 
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Transkript

Menschen gestehen nie. Also auch der Mörder, dessen Fingerabdrücke und DNA gefunden werden, selbst der gesteht nicht. Der überlegt sich noch, warum seine DNA an dem Tatort war. Damals war die Firma Bahlsen gar nicht so sonderlich happy darüber, dass sich plötzlich auch Erpresser gemeldet haben mit diesem Brief. Eine Person im Krümelmonster-Kostüm und eben Geld gefordert hat. Das ist der Fall der österreichischen Ärztin Kellermayr. Die hat sich letztes Jahr das Leben genommen, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie von sehr vielen aus der Corona-Leugner-Szene und Maßnahmen-Gegner-Szene sehr stark bedroht wurde. Und damit willkommen zu unserem Bargespräch mit dem Sprachprofiler Patrick Rottler. Mein Name ist Friedl Wynants und ich bin vor allem eines, neugierig. Deswegen treffe ich mich in der Sundowner Bar von youknow hier in München mit Menschen, von denen ich was lernen kann. Patrick, wir sind an der Bar, deswegen gibt es natürlich auch ein Getränk. Und du hast dir Negroni gewünscht. Und das gibt es jetzt von unserem Barkeeper Kilian. Passend zum Namen. Passend zum Namen des Podcasts, genau. Danke schön. Und ich habe gehört, es ist erst der zweite deines Lebens. Oder dritte. Der dritte mittlerweile. Man gewöhnt sich dran. Und zwar schnell. Ein Cocktail für Kenner. Richtig. Patrick, wir wollen immer gerne in dem Podcast mit der Frage anfangen, was können andere von dir lernen? Ich glaube, von mir kann man lernen, als Sprachprofiler zwischen den Zeilen zu lesen und auch auf die kleinen Details zu achten. Da werden wir uns jetzt gleich mehr mit beschäftigen, was das genau heißt. Um dich kurz vorzustellen, du bist Sprachprofiler am Privatinstitut für forensische Textanalyse und du unterstützt Personen und Unternehmen, die anonym angegriffen, bedroht, erpresst werden, dabei den Tätern eben auf die Spur zu kommen. Jetzt frage ich mich, wie kann ich mir jetzt einen Tag bei dir vorstellen? Was machst du den ganzen Tag? Eigentlich sitze ich den ganzen Tag an meinem Laptop oder ich warte darauf, dass Kundenanfragen kommen. Das sind meistens, wie du gesagt hast, Unternehmen, bei denen plötzlich ein anonymer Brief oder eine anonyme E-Mail aufgetaucht sind. Und dann ist meistens auch Druck im Kessel. Dann geht es um Verleumdung, um Vorwürfe wie Steuerthemen oder auch sexuelle Nötigungen zum Beispiel von einer Person aus der Führungsetage. Also alles Themen, die du als Unternehmen nicht gebrauchen kannst. Und dann ist die Frage, woher kommt dieser Angriff? Von meinem eigenen Personal, also innen, oder ist es ein Außentäter? Und genau das sind Fragestellungen, mit denen man zu uns kommt. Man geht bewusst auch nicht zur Polizei und zur Staatsanwaltschaft, weil man eben nicht will, dass die die Akten außer Haus tragen, sondern man versucht auch erst im ersten Schritt den Täter zu finden, um Klarheit für sich und seine Entscheidungen zu bekommen. Ja, wir werden gleich noch auf ein paar Fälle schauen, die du auch bearbeitet hast und an der Lösung mitgearbeitet, aber vielleicht vorher noch mal einen Schritt zurück. Wie wird man denn Sprachprofiler oder wie bist du es geworden? Ich habe Kommunikationswissenschaften studiert, ich habe dann Linguistik noch mal studiert und ich hatte das große Glück, dass ich, wie es so oft im Leben ist, dass ich an die richtigen Leute gekommen bin. Und ich hatte die Chance, mit einem Ermittlungsteam zusammenzuarbeiten, aus Kriminalisten, aus anderen Sprachprofilern und da das Handwerkszeug wirklich learning by doing zu lernen. Und genau das auf der Wege immer am Ende des Tages Forensisch und Linguist. werden kann. Es gibt keine wirkliche Ausbildung. Also klar, das Studium ist wichtig, aber ansonsten gibt es kein Ausbildungslehrgang, den man machen kann. Das heißt, man muss an echten Fällen auch die Chance haben zu üben und dann eben auch die Chance von den Auftraggebern bekommen, dass man auch echte Fälle bearbeiten darf. Ja. Was fasziniert dich daran an deinem Beruf? Ich war schon immer sehr, sehr sprachaffin, sei es Deutsch, aber auch Fremdsprachen. Und das Tolle ist, dass ich mein Hobby, meine Leidenschaft jetzt auch zum Beruf machen konnte. Und das Ganze mit dem Ermittlungsthema, mit diesem True Crime, es ist eine Ermittlungsarbeit. Es hat ein bisschen was von Verbrechensbekämpfung. Und genau das macht es eben so spannend für mich auch. Jetzt lesen wir alle, schreiben alle und ziehen vielleicht auch ganz unterbewusst immer mal Rückschlüsse auf die Person, die da vielleicht schreibt. Also ich würde zum Beispiel jetzt sagen, ich könnte vermutlich anhand einer E-Mail eines Kollegen oder einer Kollegin so, vielleicht auch im engeren Kreis, wahrscheinlich schon auch anonym sagen, wer die jetzt geschrieben hat. Das ist natürlich jetzt Laienniveau. Was unterscheidet das von von deiner Arbeit? Wie du richtig beschrieben hast, wir machen das alles eigentlich im Alltag auch. Also wir analysieren die Kommunikation unseres Gegenübers. Was will er mir sagen? Was will er mir vielleicht nicht sagen? In welcher Stimmung kommuniziert er gerade eben? Das machen wir, egal ob wir jetzt mit dem aneinander Bar sitzen oder ob wir eine E-Mail von unserem Chef bekommen. Was will er eigentlich sagen? Und was du als Gefühl verarbeiten kannst, das kann man eben auch runterbrechen und auf eine wirklich fundierte Basis setzen. Und unsere Fragestellung ist in den meisten Fällen, wer ist der Autor hinter dem anonymen Brief? Und wir arbeiten am meisten mit Vergleichstexten. Das heißt, wir schauen uns an, wie geht der anonyme Autor mit Sprache um und wie geht die Vergleichsperson mit Sprache um. Und wenn diese beiden Sprachstile zusammenpassen, also Sprach-, Wortwahl-, Grammatik-, Satzbau-, auch Gestaltungsebene, aber auch die Sprachpsychologie, wenn das übereinstimmt, dann können wir unseren Täter identifizieren. Ich habe schon auch aus deinem Buch gelernt, ihr seid da schon auch auf einem Level, wo es wirklich um Nuancen geht letztlich • Das werden wir vielleicht auch gleich an dem einen oder anderen Fall noch sehen, über den wir sprechen. Das ist bestimmt auch ein Unterschied. Was ich auch über dich erfahren habe, du machst das gemeinsam mit dem ehemaligen Geheimagenten Leo Martin. Das ist ja auch eine ganz spannende Kombination. Wie kam es dazu und was verbindet euch? Ja, Leo Martin als ehemaliger Geheimagent, der konnte das Ermitteln auch nie so ganz lassen. Und so sind wir auch zusammengekommen und haben gemeinsam auch das Unternehmen aufgebaut. Er ist bei uns der Fallführer, der erste Ansprechpartner für die Antragsteller, weil es eben darum geht, dass ich als Analyst, mir geht es wirklich nur um die Sprache. Ich will nicht wissen, wer ist der Verdächtige und warum ist der verdächtig, wer ist der Hauptverdächtige, wenn es mehrere gibt, sondern mir geht es nur um die sprachliche Analyse. Und ich muss darauf mein Urteil aufbauen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir das trennen. Und die ganze Geschichte, die Verdachtsmomente, die landen bei der Fallführung. Und ich werde davon nicht beeinflusst. Weil das ist das Wichtigste in solchen Fällen. Man muss halt objektiv bleiben. Und jede Person tendiert halt dazu, natürlich seine eigenen Ansichten zu bestätigen. Und ganz oft kommen auch Auftraggeber mit falschen Vermutungen auf uns zu. Und wir müssen das dann korrigieren und sagen, nein, wir haben es ja mit einem anderen Täter zu tun, als du vielleicht denkst. Du kannst dich also voll auf die Sprache fokussieren in diesem Duo sozusagen. Wer ist denn üblicherweise euer Auftraggeber, wenn es darum geht, anonyme Texte • • jetzt zu analysieren, du hast Unternehmen schon genannt. Kommt es auch vor, dass ihr mit Polizei, BKA, wem auch immer, zusammenarbeitet? In seltenen Fällen arbeiten wir auch wirklich für Ermittlungsbehörden. Das sind dann vor allem Polizei, die in bestimmten Fällen ermitteln, immer dann, wenn das BKA nicht einschreitet. Also beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden gibt es eine Stelle, die machen auch forensische Linguistik. Das sind Kolleginnen und Kollegen, die einen Job auf Top-Niveau machen, aber die natürlich auch mit Fällen von einer bestimmten Tragweite auch ausgelastet sind. Und so dieser ganz einfache Fall von einer Unternehmensverleumdung innerhalb von Unternehmen, das interessiert natürlich das Bundeskriminalamt nicht. Und das sind genau die Fälle, die dann bei uns landen. Jetzt wollen wir auf Sprachprofiling im Alltag mal schauen. Du hast es vorher schon gesagt, wir machen es alle ja auch irgendwie unterbewusst. Wir hatten jetzt im Vorfeld mit dir per Mail Kontakt. Wie ist das jetzt, wenn du so eine E-Mail liest, die jetzt auch gar nichts mit einem Fall zu tun hat? Kannst du da schon irgendwelche Rückschlüsse ziehen? Und wird es zur Berufskrankheit, sich zu fragen, was treibt die Person an? Das Gute ist, dass die Arbeit so kleinteilig und so intensiv auch ist, dass ich mir in den normalen Fällen jetzt nicht jede E-Mail natürlich anschaue und versuche zu analysieren wie tickt gegenüber. Aber man kann es natürlich nicht ganz ausschalten und man läuft ja auch mit offenen Augen durch die Welt und man bewertet Werbekampagnen zum Beispiel, sind die gut gemacht oder nicht gut gemacht? Auch das hat ja was mit Sprache zu tun und zielgruppengerechte Ansprache. Und da hat man natürlich einen gewissen Fokus drauf. Aber ich kann auch gut trennen, einfach weil das keine Zauberei ist. Das hat nichts mit mal schnell ein Profil rauszaubern, von irgendeiner Person, zu tun, sondern es ist wirklich eine fundierte Arbeit. Und wenn man es mal andersrum betrachtet, schreibst du anders, seit du diesen Job machst? Das ist eine sehr interessante Frage, denn es gibt auch immer die Frage, kann man eine Sprache so verstellen, dass man auch täuschen und tarnen kann und eben von sich ablenkt. Und es herrscht schon die Meinung, das würde ich auch unterschreiben, dass selbst ich, der jeden Tag eigentlich sich damit beschäftigt, nicht in der Lage ist, einen längeren Text ernsthaft so zu verstellen, dass man ihn nicht am Ende rückschließen kann. Also klar, ich weiß auch, welche Fehler ich mache, und trotzdem tendere ich dazu, diese Fehler immer wieder zu machen. Also es gibt Wörter, da muss auch ich googeln, wie man die schreibt, obwohl ich mich den ganzen Tag mit Sprache beschäftige. Und immer wieder sitze ich davor und muss beim Duden schauen, schreibe ich das jetzt gerade richtig. Also auch mir unterlaufen Fehler. Ich bin jetzt kein wandelndes Lexikon. Es geht auch nicht irgendwie drum, einen Deutschkurs oder Deutschleistungskurse zu spielen, sondern Sprache ist einfach individuell und darum geht es uns, den individuellen Sprachstil einer Person aufzudecken. Ja. Wie wir sprechen, verändert sich ja auch so im Laufe des Lebens, wahrscheinlich auch abhängig von Personen vielleicht um uns rum, die uns beeinflussen. Gilt das auch für die Art, wie wir schreiben? Also verändert sich das auch mit dem Leben sozusagen? Ja, also auch der Schreibstil ist abhängig davon, gerade von der Medienwahl. Also schreibe ich eine SMS, eine WhatsApp-Nachricht, schreibe ich eine förmliche E-Mail oder wird es ein handgeschriebener Liebesbrief oder ein Testament? Das hat natürlich einen großen Einfluss darauf, wie wir Sprache benutzen. Aber am Ende des Tages bewegt sich das alles in einem Korridor und wir haben immer wieder Muster, die wir unbewusst reproduzieren. Das ist genau der spannende Aspekt. Es geht nicht darum, um die Muster, die wir bewusst machen, sondern um die, die unbewusst passieren, die wir auch nicht wirklich steuern können deswegen. Kannst du ein Beispiel nennen für so ein Muster? Es gibt Funktionswörter, also alles, was mit deutscher Grammatik zu tun hat, also wie bilde ich eine Zeitform, da haben wir das Wort haben, ich habe gesehen und alles sind Funktionswörter, also jedes Und, jedes Aber, jedes Ich, das sind Wörter, die eigentlich nicht wirklich eine Bedeutung in sich tragen, sondern die nur für Sprache, für grammatische Funktion da sind. Und das sind genau die Wörter, die uns nicht bewusst sind in der Anwendung. Die reine Wortwahl ist zweitrangig, weil klar ist, wenn man eine Geschäfts-E-Mail schreibt, dann tauchen da natürlich Begriffe aus deiner Branche auf. Und da ist auch klar, ich kann nicht jemanden überführen, nur weil der halt ganz oft you know schreibt und Negroni halt toll findet, weil das in der Bar wahrscheinlich jeder gut findet. Ja, da würden hier viele in Frage kommen. Und wenn ich das ausblende und mich auf die kleinen Details konzentriere, egal ob das jetzt im Satzbau ist, ist der komplex, ist der wenig komplex, reiht jemand gern Hauptsätze aneinander, schreibt jemand sehr dominant, auch das ist eine sprachpsychologische Perspektive, oder es ist jemand, der zurückhaltend ist. Es gibt auch anonyme Schreiber, die entschuldigen sich dafür, dass sie anonym schreiben. Andere wiederum, die schreiben in Großbuchstaben und ballern eine Anschuldigung nach der anderen raus. Das sind auch unterschiedliche Charaktere, die dahinter stecken. Ja. Okay. Jetzt wollen wir auf ein paar Fälle schauen, an denen du beteiligt warst, an der Lösung du auch mitgearbeitet hast. Und so mal als lockeren Einstieg hast du uns einen Brief mitgebracht. Der sieht so aus, wie ich mir einen klassischen Verbrecherbrief vorstellen würde. Für diejenigen, die uns im Video gucken, kann man das hier auch mal zeigen. Genau, also das, was man sich ... Genau, hier in die Kamera. Das, was man sich sozusagen vorstellt. Also sprich, aus Zeitungsschnipseln ausgeschnitten. Oder fangen wir vielleicht mal damit an. Wie oft landen denn jetzt Briefe dieses Typs auf deinem Schreibtisch? Also gleich vorneweg, ohne dich zu enttäuschen, das ist die absolute Ausnahme. Ich glaube, es war auch immer die Ausnahme. Ist eher eine Erfindung des Fernsehens. Ist natürlich sehr, sehr plakativ zu sagen übrigens hier, wir wedeln mal im Tatort damit und wissen, es gibt eine Erpressung. Kann man sich auch vorstellen, warum das vielleicht gar nicht so praktisch ist. Was ist die Idee dahinter, wenn man so einen Brief ausschneidet, aufklebt? Es geht um Verstellung. Also man will nicht handschriftlich schreiben. Das war halt vor ein paar Jahrzehnten auch noch relevant, als man nur handschriftlich schreiben konnte. Aber mit Aufkommen der Schreibmaschine, spätestens mit Computer ist das hinfällig. Das heißt, man hat auch gar nicht mehr die Notwendigkeit, seine Handschrift zu verstellen in dem Umfang. Und vor allem, das ist auch echt mit Zeit verbunden. Das glaube ich. Und letztlich wäre aber das doch auch etwas, wo man, wo du als Sprachprofiler trotzdem was rausziehen könntest, weil es wird ja eher die Schrift als die Sprache verstellt dadurch, oder? Genau, das ist ganz gern so, dass, wenn man sich auf was anderes fokussiert bei der Verstellung, in dem Fall eben, dass man ja nicht so handschriftlich schreibt, dann vergisst man natürlich, dass man ja auch noch andere sprachliche Spuren hinterlässt. Und das ist genau, warum auch unsere Ermittlungsmethode auch immer sehr, sehr gut und treffsicher ist, weil sie unabhängig von dem Medium ist. Also egal, ob es eine Schreibmaschine ist, was selten vorkommt, in den meisten Fällen ist der Brief am Computer erstellt, ausgedruckt. Das spielt aber für uns keine Rolle am Ende des Tages. Ja. Um das noch aufzulösen mit diesem Brief, der beginnt ja mit dem Satz, ich hab den Keks, steht hier zumindest ganz oben, oder null Kekse ist die Überschrift und Absender ist das Krümelmonster. Kannst kurz sagen, was sich da für eine Geschichte hinter verbirgt? Eine sehr, sehr bekannte Geschichte in der deutschen Medienlandschaft gewesen, als der vergoldete Keks bei der Firmenzentrale der Firma Bahlsen gestohlen wurde. Damals war die Firma Bahlsen gar nicht sonderlich happy darüber, dass sich plötzlich auch Erpresser gemeldet haben mit diesem Brief. eine Person im Krümelmonster-Kostüm und eben Geld gefordert hat, aber nicht für sich, sondern als Spende für einen guten Zweck. Und daran kann man schon erkennen, was so die Motivation dahinter ist. Also wir haben es ja nicht mit einem Täter zu tun, der eine relativ hohe kriminelle Energie hat, sondern es war wahrscheinlich eher ein Streich von jungen Leuten, vielleicht von Studenten. Das ist auch relativ intelligent gemacht. Das zeugt auch von einem sehr hohen Spieltrieb. Allein, dass man sich diese Mühe macht, damit auch irgendwie mit diesem Klischee zu spielen. Und das heißt, mit so einem Täter muss man ausgehen. Und das war am Ende des Tages, war das auch die größte PR-Kampagne, die man sich hätte ausdenken können. Gab auch Leute, die das sogar der Firma Bahlsen unterstellt haben. Aber das kann man eher ausschließen, dass die selbst dahinter stecken. Und wer es wirklich war, das haben wir bis heute nicht so wirklich herausgefunden. Es gab Leute, die sich dazu bekannt haben, aber ob das so ist... Der Keks ist wieder aufgetaucht. Der Keks ist wieder aufgetaucht, der wurde auch freiwillig zurückgegeben. Und die Firma Bahlsen hat dann auch gespendet und damit war kein Schaden angerichtet. Es gab nur Gewinner bei der Geschichte. Ja, das ist jetzt sicherlich nicht immer so. Das ist ja noch zum Schmunzeln, sag ich mal, aber das wird sicherlich nicht bei den meisten Fällen bei euch so sein. Was ich sehr spannend fand, was ich in eurem Buch gelesen habe, ist, dass es tatsächlich rechtskräftige Urteile gibt, die sich allein auf Sprachanalyse als Beweismittel stützen. Also für mich fast wie ein Fingerabdruck letztlich. Der Vergleich mit dem Fingerabdruck, der ist ein bisschen gefährlich, weil der Fingerabdruck, der ist einmalig und der ist unveränderbar. Das sind zwei Eigenschaften, die für Sprache nicht so gelten. Also wir haben ja schon darüber gesprochen, dass gerade die Textsorte, aber auch das Alter oder auch die, mit wem ich mich unterhalte, das färbt oder das beeinflusst, wie wir kommunizieren. Und deswegen ist das eben nicht der Fingerabdruck. Aber es ist schon möglich, so eine Kombination verschiedener Sprachmerkmale auf verschiedenen Ebenen, sei es Satzbau, Grammatik, Wortwahl, wenn sich das verdichtet und wenn das auch solide dasteht und sich wiederfindet, dann haben wir schon sowas wie einen Individualstil und den kann man schon auch nutzen, in besonders guten Fällen, dass der auch alleinstehend für sich überzeugend ist, dass man den Autor identifizieren kann. Hängt aber bei uns immer von der Textbasis ab. Das muss man auch ganz ehrlich sagen. Es ist keine Zauberei, was wir hier machen, sondern es ist eine Wissenschaft und da kann von null bis hundert irgendwie alles bei rauskommen. Ein doch sehr viel ernsterer Fall, der ging jetzt auch, glaube ich, dieses Jahr durch die Medien. Da lautete die Signatur des Täters mit tödlichen Grüßen. Was ist da genau passiert? Kannst du uns was über den Fall erzählen? Das ist der Fall der österreichischen Ärztin Kellermayr. Die hat sich letztes Jahr das Leben genommen, nachdem sie aufgrund der Corona-Pandemie von sehr vielen aus der Corona-Leugner-Szene und Maßnahmen-Gegner-Szene sehr stark bedroht wurde über einen langen Zeitraum. Und die hat irgendwann diesen Druck auch nicht mehr ausgehalten. Die hat ganz frisch ihre Praxis gegründet, war auch hochverschuldet, musste dann auch als Schutz für sich, aber auch als Schutz für ihre Mitarbeiter und für ihre Patienten, auch Personenschutz für die Praxis bezahlen. Und das hat sich so hoch aufsummiert, dass der Druck so groß war, dass sie am Ende des Tages Suizid begangen hat. Und das ist ein besonders krasses Beispiel, weil es einmal auch zeigt, wie der Hass im Netz auch reale Konsequenzen hat. Und das Bittere dabei ist, dass eben der Täter bis zum heutigen Tag nicht überführt ist. Und unsere Chance ist es, den Täter zu überführen in Zukunft. Aber vor allem auch die Ermittlungen auf einen neuen Weg zu bringen. Denn was wir herausfinden konnten dieses Jahr als neue Erkenntnis ist, dass es eben nicht nur die Frau Dr. Kellermayr als Opfer gab von diesem Täter, sondern dass es auch unterschiedliche Personen des öffentlichen Lebens sowohl in Österreich als auch in Deutschland gibt, die vom selben Täter mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eben auch anonyme Drohbriefe bekommen haben oder E-Mails. Und wie habt ihr das herausfinden können? Es haben sich verschiedene Leute gemeldet, die das Szenario, das beschrieben wurde, an Äußerlichkeiten wiedererkannt haben und auch ihre eigenen Briefe da wieder erkannt haben und haben das Material uns zur Verfügung gestellt. Und wir haben dann mit unserer forensischen Linguistik eben die Sprachmuster angeschaut und kommen eben zum Ergebnis, dass diese Briefe in vier verschiedenen Fällen mittlerweile eben von einem und denselben Täter stammen. Und damit geben wir natürlich auch im Idealfall den Ermittlungsbehörden wiederum einen neuen Hinweis auf den Weg zu sagen, okay, dieser Fall ist noch nicht zu Ende, der geht weiter. Ja. Und kannst du vielleicht an dem Beispiel auch noch mal sagen, was solche Sprachmuster sind in dem Fall? Also was hat euch da auf die Spur gebracht, dass das alles von denselben Tätern oder selben Täter stammt? In dem Fall war es so, dass der Täter dazu tendiert hat, sehr sehr ausführlich und sehr präzise zu beschreiben, was er denn gerne mit seinen Opfern anstellen würde. Das sind wirklich hardcore Morddrohungen mit Darstellungen, was er mit dem Opfer und auch den Angestellten machen will. Die waren sehr parallel, das heißt die Perspektive und • die Vision sozusagen war eine sehr ähnliche, aber wir haben darüber hinaus eben auch Übereinstimmungen in der Grammatikkonstruktion, in der Art und Weise, wie derjenige mit Satzbau umgeht und in der Grammatik und auch im Aufbau des Textes, auch die Struktur. Auch das ist eine Fragestellung. So viele Parallelen gefunden, dass wir sagen, hier gibt es Sätze, die sind so ähnlich von der Konstruktion her, dass das eben kein Zufall mehr sein kann. Was sind denn beispielsweise so Konstruktionen, von denen du sagst, wenn die jetzt mehrmals in Sätzen vorkommen, dann ist das schon ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass das jetzt zum Beispiel von derselben Person geschrieben worden ist? Es gibt so ganz spezielle Formulierungen, ganz plakativ gesprochen, wie sowas wie bis dato. Das kann man finden in Mails und in Kommunikation von Menschen, aber es ist schon speziell. Das heißt, wenn es vorkommt, und zwar in einer bestimmten Häufigkeit auch noch, dann kann man sagen, okay, hier haben wir eine Parallele, die schon mal interessant ist. Und wenn wir auf diesem Niveau verschiedene Sachen finden, und wir reden da eben nicht nur von zwei, drei Merkmalen, sondern wir reden da von Tabellen von an die 20 Seiten, die eben solche Gemeinsamkeiten auflisten, Und dann geht es eben von spezieller Wortwahl. Es können auch veraltete Worte sein, wenn es zum Beispiel ein älterer Autor ist oder wenn es ein fremdsprachiger Autor ist. Auch falsche Konstruktionen, die benutzt werden. Gerade im Deutschen gibt es ein paar Fallhürden mit • richtigen Kasus anwenden oder den Satzbau richtig machen. Und wenn man solche Fehler immer wieder findet, dann haben wir genau solche Konstruktionen, die in der Kombination... Jedes einzelne Merkmal ist vielleicht an sich gar nicht so super spannend, aber die Kombination daraus, das macht es dann schlagkräftig. Okay. Wir wollen es auch gerne mal ausprobieren. Du hast uns ja nochmal einen weiteren Brief mitgebracht. Nochmal was für dich dabei. Nochmal was dabei, genau. Das ist jetzt einer, den kenne ich auch nicht. Und wir würden jetzt einfach mal das Experiment machen, dass ich mal kurz lese und auch vorlese und mal gucke, was ich jetzt aus Laiensicht daraus schließe. Und dann würde mich natürlich dein professioneller Blick darauf interessieren. Also man sieht jetzt hier für diejenigen, die uns nur zuhören, das ist ein Brief in Schreibmaschinen-Schrift, würde ich sagen, von so ungefähr zehn Zeilen. Oben rechts steht, heute, 2. Februar, 15 Uhr, Ausrufezeichen. Und der Brief geht dann, hallo, Herr Först, haben wir Amelie und geht es ihr gut Ausrufezeichen. Wenn sie wollen, ihr geschätztes kleines Mädchen jemals wieder lachen sehen? Fragezeichen. Dann zahlen 10.000 Euro innerhalb von drei Stunden. Packen Sie Geld in Al di Tüte und legen genau 18 Uhr in den grünen Mülleimer, Fließstraße, Ecke Flutstraße neben dem Elektrokasten mit dem roten Kinoplakat. Kein Polizei, drei Ausrufezeichen. Sonst kein Garantie, drei Ausrufezeichen. Kommen du alleine, Ausrufezeichen. Wir nix Dilettanten, Ausrufezeichen. Du haben nur eine Chance. Wenn doch, Familia Moskau hält zusammen, Ausrufezeichen. Das ist jetzt also ein echter Brief, der so geschrieben wurde. Und wenn ich mir das jetzt so anschaue, also, es ist jetzt offensichtlich, dass es also entweder eine nicht muttersprachliche Person war oder jemand, der gerne für eine solche gehalten werden möchte. Da bin ich mir noch ein bisschen unsicher. Genau, kurz zur Fallkonstellation. Es ging um eine versuchte Entführung die Gott sei Dank nicht stattgefunden hat. Der Täter hinter dem Brief wollte quasi die Amelie, das ist die Tochter, aus nicht ganz unwohlhabendem Hause nicht wirklich entführen, aber er wollte ein Zeitfenster abpassen, in dem sie nicht erreichbar ist für ihre Eltern und in dem er sozusagen mit diesem Szenario spielen kann, um schnell Geld zu erpressen. Das war die Idee. Also es gab nie wirklich eine Entführungslage. Und es kam auch gar nicht zu dieser Geldübergabe, weil dieser Brief nämlich aufgetaucht ist, als die Amelie zu Hause war. Das heißt, im ersten Moment hat man das als Spaß abgetan und war auch irgendwie hinfällig. Aber man kann sich vorstellen, wenn man als Eltern dann nachts zu Hause im Bett liegt und darüber nachdenkt, dann ist schon die Frage, wo kommt das her und ist da doch nicht irgendwie ein Ernst dahinter. Und so ist man auf uns zugekommen und die Frage, die in erster Linie war, ist es ein deutscher Muttersprachler, ja oder nein, weil es konkret Verdächtige gab und mit der Frage hätten wir eben einen ausschließen können oder den anderen eben belasten können. Und das ist auch die Frage, die du jetzt beantworten darfst. Ja, die ich jetzt beantworten darf. Ich überlege jetzt, an was man erkennen könnte, ob es tatsächlich kein Muttersprachler ist. Also es wirkt, das ist jetzt natürlich nur Bauchgefühl, aber es wirkt von der Formulierung her für mich jetzt eher, als hätte jemand versucht, nicht Muttersprachler zu sein. Ich kann aber gerade nicht sagen, an welchen Dingen oder Mustern ich es festmachen würde. Was fällt denn generell mal auf an diesem Brief, wenn man so die Sätze liest? Den Duktus, woran machst du fest, dass es jetzt eher aufgesetzt klingt? Ist da so ein Beispielsatz? Ja, also zum Beispiel der zweite Satz, wenn sie wollen, ihr geschätztes kleines Mädchen jemals wieder lachen sehen, dann wirkt das für mich jetzt nicht, also, geschätztes, also, es ist jetzt, es kommen Worte vor, wo ich jetzt sagen würde, ich weiß nicht, ob ein Muttersprachler, ein Nicht-Muttersprachler, so, sie verwenden, oder dann auch richtig schreiben würde. Weil das Wort ist jetzt zum Beispiel richtig geschrieben, Andere Worte, die jetzt, finde ich, einfacher sind, sind dann wiederum falsch geschrieben. Aber das ist jetzt sehr vage. Da hast du genau den richtigen Punkt erwischt. Bei der Frage nach der Verstellung geht es immer auch um Konsistenz. Das heißt, wir haben jemanden, der wirklich nicht Muttersprachler ist, der macht Fehler, basierend auf seiner Herkunftssprache. Das heißt, es sind nicht irgendwelche Fehler passiert, sondern die müssen sich logisch erklären lassen. Und er macht auch Fehler alle auf einem Niveau. Denn jemand, der Deutsch lernt, der lernt eben Satzbau und Wortwahl und Grammatik eben alles parallel auf einem Niveau. Der kann nicht perfekte, spezielle Wörter alle richtig, • aber keinen richtigen Satz formulieren. Und genau solche Ungereimtheiten sind das nach was wir Ausschau halten Und du hast auch schon was Richtiges gefunden. Das geschätzte kleine Mädchen hier, geschätzt. Würdest du das Wort benutzen, wenn du jetzt eine in deiner alltäglichen Kommunikation wahrscheinlich eher nicht. Das ist eine Vokabel, die würden wir jetzt eher als veraltet betrachten. Das heißt, man würde einen Autor nehmen, der sicher nicht besonders jung ist. Und es ist auch nicht die einfachste Vokabel. Wir haben ein Ä drin, wir haben SCH drin, TZT. für einen • Nicht-Muttersprachler schon eine gewisse Hürde. Und auf dem Niveau findet man auch andere Vokabeln. Zum Beispiel das Wort Dilettanten ist noch ganz interessant. Wir nix Dilettanten, schreibt der Autor. Und auch das Wort Dilettant. Also erstmal das muss man kennen und man muss wissen, wie man's schreibt. Und ich wage zu behaupten, dass auch ein deutscher Muttersprachler mit dem Wort erstmal so ein bisschen brauchen könnte. Ja, definitiv. Das ist vielleicht eines der Wörter, die man mal beim Duden googeln würde, bevor man das schreibt. Und genau das ist es, dass gleichzeitig Fehler passieren bei viel einfacheren Vokabeln, wie zum Beispiel den Mülleimer mit einem L geschrieben. Oder die Polizei mit 2 L geschrieben. Auch das ist interessant. Fehler aus der Muttersprache herleiten. Polizei gibt es in vielen verschiedenen Sprachen. Dieselbe Wurzel, aber nie mit 2 L. Das heißt, es ist unrealistisch, zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, dass jemand auf einmal hier 2 L reinschreibt, weil das sich nicht logisch erklären lässt, wo das herkommen soll. Und das wäre tatsächlich einer von den Hinweisen darauf, dass hier was nicht stimmt, dass man vielleicht davon ausgehen muss, dass hier ein deutscher Muttersprachler schreibt, der nur so tut, als wäre er eben Ausländer. Ja. War das auch Ergebnis deiner Analyse? Genau. Darauf läuft es hinaus. Es gibt relativ viele Anhaltspunkte in dem Brief. Wir haben zum Beispiel auch den Satzbau. Der ist ja einerseits sehr, sehr knapp formuliert. Wir nix Dilettanten. Komm du alleine. Genau. Und gleichzeitig haben wir einen Satz, der besonders lang ist, und zwar genau der mittlere Satz, wenn es um die Geldübergabe geht. Das heißt, wenn er den Ort beschreibt, das Geld beschreibt, dann schafft er auch plötzlich eine Kommasetzung. Das merkt man natürlich beim Vorlesen nicht, aber wir haben einen Satz, der eine richtige Kommasetzung hat. Und im Rest vom Text hat er kein einziges Komma verwendet. Und das ist eine spezielle Stelle, weil da geht es um die Botschaft, da will er verstanden werden. Und das beobachten wir regelmäßig, dass gerade dann, wenn es wichtig wird für den Autor, dann wird die Sprache wieder besser, weil dann kann man das Risiko nicht eingehen, dass jemand das nicht für voll nimmt oder gar nicht versteht, was er überhaupt meint. • Und du hast jetzt immer schon gesagt er Ist das schon klar, dass es ein er ist oder liest man das auch irgendwo raus? In dem Fall war es klar, weil es nur er also nur männliche Verdächtige gab. Das Geschlecht zu profilen ist eine fragwürdige Sache, weil das nicht ganz so einfach ist. Wenn, dann kann man eh nur... wenn dann das soziale Geschlecht profilen, also die Frage ist, ist es ein eher weiblicherer Sprachgebrauch oder ein eher männlicher, was man mit Dominanz zum Beispiel oder mit kurzen, unemotionalen Sätzen beispielsweise eine dominantere Grundhaltung assoziieren würde. Das Fehlen von Weiblichkeitsformen zum Beispiel ist eher eine männliche Sprache, während es eben das andere Extrem gibt, das man als eher weiblich beschreibt. Aber die Begrifflichkeit ist ein bisschen schwierig, weil das einfach nicht wirklich Mann oder Frau zu zuordnen einfach schwierig ist. Du hast jetzt sozusagen das Ergebnis hier, dass du dazu tendierst zu sagen, dass es eigentlich schon ein Muttersprache hier ist, der sich einfach verstellt. Was wiederum hat das jetzt sozusagen zur Klärung des Falls beigetragen? In dem Fall waren eben zwei Leute verdächtig, weil nur zwei Leute auch wissen konnten, dass die Tochter zudem in dem Zeitfenster nicht erreichbar ist und auch sicher sein konnten, dass ihr Erpressungsversuch vielleicht funktioniert. Und einer davon war eben deutscher Muttersprachler und der andere war es eben nicht. Und deswegen genau diese Frage. Und so konnten wir natürlich sagen, okay, ihr handelt sich um einen deutschen Muttersprachler, der versucht, sich zu verstellen. Und es handelt sich eben nicht um einen echten Ausländer, der eben nicht deutsch als Muttersprache hat. Und so konnte man den einen eher ausschließen, den anderen eher belasten. Wenn sich das dann auch noch mit den Vermutungen deckt, die man vielleicht eh schon hat, dann kann man daraufhin seine Entscheidungen treffen. So war das auch in dem Fall. Der wurde einfach damit auch beendet, dass die Familie für sich entschieden hat, wie sie halt in Zukunft einfach agiert. Die eine Person halt auch so ein bisschen aus ihrem Bekanntenkreis rausgestrichen hat. Da gab es gar keine rechtlichen Konsequenzen. Aber das war einfach eine Entscheidung. Und auch dieses Wissen, woran bin ich? Ist da wirklich eine Gefahr dahinter? All das ist halt einfach auch wichtig, • dass du handlungsfähig bist. Okay. Das heißt, Amelie geht's gut, es ist nichts passiert und du hast deinen Teil dazu beigetragen. Richtig, genau. Amelie geht's gut. Ist das denn, du hast gesagt, es gab jetzt zum Beispiel in dem Fall schon zwei, ja, Verdächtige sozusagen. Ist das denn häufig sozusagen der Fall, dass die Opfer schon Ideen haben, wer Täterin oder Täter sein könnte? Oder stochert ihr auch ganz im Dunkeln? Also in den meisten Fällen ist es tatsächlich so, dass es schon Verdächtige gibt. Das können ganz konkrete Verdächtige sein oder ein Teil oder eine Gruppe von Verdächtigen, weil in den Briefen ja auch Insiderwissen offenbart wird. Und gerade im Unternehmenskontext ist es ganz oft so, dass wenn zum Beispiel eine Unternehmensfusion ins Haus steht und damit ein Stellenabbau verbunden ist, das ist eine Information, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach auch nicht jeder hat. Und dann ist klar, das muss an einer bestimmten Führungsebene sein. Man hat vielleicht auch schon den Verdacht, weil es jemanden gibt, der querulant ist, der auch in Vergangenheit öfter mal geschossen hat. Also da gibt es schon Hinweise dafür, warum man jemanden mehr verdächtigt als andere. Und dann ist das natürlich auch bei uns so der priorisierte Verdächtige. Und wenn man nur einen Kreis hat an Personen, die theoretisch alle in Frage kommen, dann ist es halt der erste Schritt zum Profiling zu machen. Also Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, regionale Herkunft zum Beispiel. Oder die Frage, hat er einen nicht muttersprachlichen Background? Und wenn ja, aus welcher Richtung? Ist es eher was osteuropäisches oder ist es eine südeuropäische Sprache? All das versucht man eben so ein Bild zu kreieren, das ist nicht wirklich scharf, aber das ist zumindest ein Hinweis und eine Richtung, in die man gehen kann. Aber es geht immer darum, wirklich einen konkreten Verdächtigen zu haben, mit dem man dann wirklich Vergleichstexte auch danebenlegen kann, um diese Sprachstile zu vergleichen. Okay. Und wie kann man sich jetzt das Ergebnis deiner Arbeit ganz konkret vorstellen? Also in diesem Fall ist es dann einfach ein Dossier, sag ich mal, in dem du das nacheinander abhandelst, oder? Es kommt ganz auf die Aufgabenstellung oder die Idee unserer Mandanten drauf an. Also in den meisten Fällen machen wir wirklich ein Gutachten, das heißt ein Dokument. Der Haupttext hat 50 Seiten, die Anlagen haben 400 Seiten. Das wird dann vor Gericht vorgelegt und daraufhin soll eben ein Gericht auch entscheiden können. Wie kann ich mir das normalerweise vorstellen, wenn das Ergebnis deiner Arbeit vorliegt? Ist das dann so, dass diejenigen, die davon vielleicht vermeintlich überführt werden, das akzeptieren? Ist das dann so, okay, erwischt, ich war's? Menschen gestehen nie. Okay, das kann man so vorstellen. Auch der Mörder, dessen Fingerabdrücke und DNA gefunden werden, selbst der gesteht nicht, der überlegt sich noch, warum seine DNA an dem Tatort war. Also in den seltensten Fällen, ich habe auch tatsächlich einen Fall aktuell, in dem jemand gestanden hat, bei der ersten Konfrontation. Da hat es aber auch eine Behörde gebraucht, die an der Tür geklingelt hat und mal kritisch nachgefragt hat. Das heißt, rein auf Konfrontation, gerade im Unternehmenskontext, wenn man sagt, hier Mit Arbeiter X Y, wir haben da ermittelt. Das ist schwierig, einfach weil die nicht geständig sind. Es gibt auch immer natürlich Ausreden und Möglichkeiten, um das irgendwie zu umgehen. Das ist aber in den meisten Fällen ein bisschen aussichtslos. Also wir haben schon Argumentationen gehört, wie das halt, hätte ja auch ChatGPT schreiben können. Leider in Fällen, die 2019 waren, wo es noch kein ChatGPT gibt. Also schwache Erklärung. Jetzt haben wir bisher über schriftliche Kommunikation gesprochen. Könntest du deine, sagen wir mal, Werkzeuge auch jetzt für ein Verhör oder für eine normale gesprochene Kommunikation nutzen? Ich beschränke mich am besten auf das, was ich kann und was ich mache. Und es ist einfach schwierig, weil wenn die mir jetzt sagen, wir unterhalten uns jetzt, dann läuft mein Gehirn nicht mit und versucht, dich irgendwie zu analysieren oder zu profilen. Das ist auch nicht realistisch. Und das wird auch der Materie nicht gerecht werden. Das heißt, das funktioniert kognitiv gar nicht so wirklich. Und deswegen Es ist schwierig, aber natürlich lässt sich es anwenden, wenn ich die Essenz daraus ziehen will. Und ich weiß, ich kann auch Persönlichkeitstypen erkennen. Dann kann ich natürlich daraus auch mir die Frage stellen, was bringt mir das denn für mich und für meinen beruflichen Alltag zum Beispiel. Wenn ich weiß, wie kommuniziert ein Gegenüber und wie ist jetzt mein Vorgesetzter oder du, wie kommunizierst du mit mir, dann habe ich vielleicht auch einen besseren Zugang, wenn ich dann irgendwann mal eine Idee habe, von der ich weiß, Von der will ich dich überzeugen. Und wenn ich weiß, okay, du tickst so und so, du brauchst auch dann die entsprechende Art von Kommunikation. Beispielsweise eine ellenlange E-Mail liest du gar nicht durch, das interessiert dich nicht. Sondern du brauchst eher schon eine geile Idee, die irgendwie cool klingt und die eine Vision aufmacht. Dann ist das ein richtiger Weg, um das zu machen. Und wenn ich vorher in der Analyse bin und das einordnen kann, dann habe ich vielleicht eine Chance, meine Idee besser an den Mann zu bringen. Okay, also du nutzt Sprache schon auch strategisch, höre ich so raus. Das sollten wir alle machen. Wir machen es auch unbewusst alle, aber ich glaube, den meisten Leuten ist eben nicht ganz klar, wie genau man das machen kann und dass es eben auch in der schriftlichen Kommunikation funktioniert. Und wenn man da so ein bisschen bewusster rangeht, wenn man eben zwischen den Zeilen liest und auch sich mal Gedanken macht, nicht nur was schreibt er, sondern auch wie schreibt er es. Ich glaube, dann haben wir schon so eine kleine Stellschraube, mit der man Kommunikation auch besser machen kann. Gibt es etwas, was man jetzt sagen kann, ... ... bei einer normalen Geschäfts-E-Mail, ... ... was man zwischen den Zeilen lesen kann? Also fällt dir da irgendwie ein Beispiel ein? Gerade schriftliche Kommunikation, mit der es ich ja auch hauptberuflich zu tun habe, ist halt super anfällig für Missverständnisse. Also wir kennen das alle von WhatsApp-Nachrichten, dann kommt kein Emoji dabei, dann ist er verärgert, hat sie einen schlechten Tag. Also Missverständnisse sind vorprogrammiert immer dann, wenn ich in der schriftlichen Kommunikation einfach wahnsinnig viel Interpretationsspielraum habe, weil ich mein Gegenüber nicht sehe, weil ich nicht weiß, wie reagiert er auf mich, weil ich auch nicht die Stimme höre, was ich vielleicht am Telefon noch habe. Das heißt, mir fehlt Insiderinformationen, um auch nachjustieren zu können. Also, wenn ich jetzt dir gegenüber sitze und ich merke, okay, jetzt runzelt er die Stirn, dann war vielleicht die Aussage nicht ganz optimal, dann kann ich noch mal irgendwie was Neues nachschieben. Aber in der schriftlichen Kommunikation habe ich diesen einen Schuss und ich habe keine Ahnung, in welcher Situation der andere das liest. Sitzt der in der U-Bahn? Sitzt der an seinem Schreibtisch? Hat der sich gerade von seiner Partnerin getrennt oder hat er einen tollen Tag? Das kann ich nicht einschätzen und deswegen kann es natürlich passieren, dass meine an sich tolle Idee halt völlig ins Leere läuft. Und das zu wissen und einordnen zu können und vielleicht eben bewusst und auch zu antizipieren, dass ist eben die Kunst auch am Ende ist, ist auch nichts, was man schnell macht und auch nichts, was ich automatisch kann und ist auch für mich eine Aufgabe. Aber ich glaube, und das kann man auch in deinem Buch nachlesen, dass natürlich der Interpretationsspielraum in der schriftlichen Kommunikation so viel größer ist. Wie du sagst, es gibt mehr Missverständnisse, wo man, glaube ich, schon sagen kann, die Empfehlung ist, konflikthafte Themen oder sowas, wenn möglich, auch persönlich zu klären. Genau, also schriftliche Kommunikation ist toll und WhatsApp ist toll, aber man muss immer die Frage stellen, ist es der richtige Kanal für mein Thema aktuell? Und wenn es um nichts Wichtiges geht, wenn man einfach nur schreiben muss, ja, passt, dann kann ich das per WhatsApp machen. Aber wenn es um Probleme geht, dann muss ich einen anderen Kanal wählen und dann ist auch die E-Mail der falsche Kanal in den meisten Fällen und selbst das Telefon schwierig. Also wenn ich die Möglichkeit habe, irgendwie persönlich zu kommunizieren, hinzugehen ins Büro und bei denen halt anzuklopfen, dann ist das dann auch das Mittel der Wahl. Wenn es um nichts so viel geht, kann ich gerne auch schriftlich kommunizieren. Du hast vorher schon das Stichwort ChatGPT gebracht, jetzt ist das gerade ja irgendwie in aller Munde. Wie wirkt sich das jetzt aus deiner Sicht denn auf deine Arbeit aus? Also jetzt als Beispiel Erpresserbrief mit ChatGPT geschrieben, da wird es dann eng mit Sprachanalyse, ne? Das wird spannend, wie sich das in Zukunft vor allem entwickelt. Also ChatGPT hat zumindest am Anfang noch bei der Nachfrage mit schreib bitte meinen Brief an XY mit bisschen Bedrohung, hat er gesagt, nee, mache ich nicht. Es gibt natürlich jetzt auch so ein paar Darknet-Schwestern und Brüder von ChatGPT, die das schon machen. Und natürlich wird es den Job verändern, da bin ich mir relativ sicher. Aber im Zweifelsfall auch natürlich zu meinen Gunsten, weil ich auch die Anwendung vielleicht auch irgendwann nutzen kann, um eben bestimmte Analysen zu machen. Aktuell hat auch ChatGPT einen erkennbaren Sprachstil. Also das, was da rauskommt, das klingt nicht immer wahnsinnig natürlich oder zumindest klingt es sehr generisch. Also irgendwie zwar langer Text, tolle Worte, aber eben ist nicht so zielsicher. Und wenn du jetzt jemanden erpressen willst oder jemanden bedrohen willst, dann brauchst du schon ein bisschen mehr als nur jetzt ein paar fiese Wörter. Ja, das heißt, du könntest zumindest Chat GPT als Autor vielleicht überführen. Noch ist es so, aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Stimmt. Wie ist es für dich persönlich, wenn du jetzt abends an der Bar sitzt und jetzt nicht wie jetzt gerade vielleicht über deinen Job sprichst, wie leicht fällt es dir abzuschalten oder auch mal die Fälle zu vergessen oder sind das auch Dinge, die du immer mit in den Feierabend nimmst? Ich glaube, da kommt mir mein Persönlichkeitstyp ganz gut gelegen, dass mich das nicht so wahnsinnig triggert. Also ich kann es gut abschalten. Ich habe es auch in den wenigsten Fällen wirklich mit Mord und Totschlag zu tun, sondern wir reden dann halt von Verleumdungen, Beleidigungen. In dem Fall Kellermayr ist das nochmal was anderes. Aber auch da ist es auch mein Job, so neutral ranzugehen, dass ich mich davon eben nicht leiten lasse. Und wenn es ein Problem für dich ist, dann ist es auch nicht der richtige Job. Aber grundsätzlich ist am Ende des Tages muss ich Wörter und Satzzeichen vergleichen und Listen von 300 Seiten, wo jedes Wort aufgelistet ist, anschauen. Da ist dann Gott sei Dank auch ein bisschen der Bezug zum Fall weg. Das heißt, ich nehme das nicht mit nach Hause wirklich. Ja, zum Abschluss, was wir immer gerne machen bei nah, neugierig und Negroni ist, dass wir schon mal ein bisschen Neugier wecken auf die Person, die als nächstes hier Platz nimmt, wo du jetzt gerade sitzt, Patrick. Wir haben ihn hier, wir zeigen es auch mal hier in die Kamera. Und für diejenigen, die uns nur zuhören, ist einfach jetzt ein junger Mann zu sehen. Und Patrick, du darfst jetzt einfach mal anhand von ein, zwei Hinweisen, die ich dir geben werde, raten, wer hier als nächstes Gast in diesem Podcast sein wird. Und ich sage dir mal, neben dem Foto, was du über ihn wissen kannst, ist, er weiß, wie man Ängste bewältigt. Und sein Schaffen ist ein Balanceakt. Ich würde ihn schon sehr sportlich einschätzen, auch von der Optik her sieht man schon, aber es passt auch zu dem, was du sagst. Wahrscheinlich irgendwas mit Balanceakt könnte jetzt auch der Hochseilakrobat sein. Die Richtung stimmt, definitiv. Aber ich würde sagen irgendwas mit Sport und vielleicht mit Berge und Klettern und irgendwie so in die Richtung. Ja, absolut. Da bist du auf einer total heißen Spur. Der nächste, der hier nämlich Platz nehmen wird, das ist hier, wir sehen ihn ja schon, Lukas Irmler. Er ist nämlich professioneller Slackliner und hält zahlreiche Guinness-Weltrekorde. Zum Beispiel die längste Strecke hat er zurückgelegt mit Augenbinde. Und das Ganze, und das macht es jetzt, finde ich, besonders spannend, deswegen freue ich mich auch drauf, er hatte früher oder anfangs Höhenangst. Und wie er das sozusagen überwunden hat und dann dazu gekommen ist, Weltrekorde aufzustellen, Respekt, würde ich auch sagen. Das werden wir hier demnächst erfahren, da bin ich schon gespannt drauf. Ja, und damit Patrick, ein ganz herzliches Danke an dich, dass du uns halt mitgenommen hast in die Welt des Sprachprofilings, in deine Welt. Es war ein total spannender Ausflug. Ich habe viel gelernt. Und bedanke mich ganz herzlich, dass du hier warst. Und sage an alle, die uns zugeschaut haben, auch danke. Und bis zum nächsten Mal, wenn es dann wieder heißt, nah, neugierig und Negroni.