nah, neugierig & Negroni

Friedl Wynants

#7 An der Bar mit Ex-Geheimagent Leo Martin: Wie lernen wir, das Vertrauen Fremder zu gewinnen?

31.07.2024 58 min

Video zur Episode

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Zusammenfassung & Show Notes

Heute sitzt Leo Martin mit mir an der Bar – er ist Ex-Geheimagent, Kriminalist und Vernehmungsexperte. Der NDR nannte ihn mal „den deutschen 007". Mit Leo spreche ich über seine Zeit als Geheimagent, seine Missionen und brenzlige Situationen im Milieu der organisierten Kriminalität, weshalb nicht einmal seine Mutter von seinem Job wusste und wie es uns allen gelingen kann, das Vertrauen Fremder zu gewinnen.  

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Transkript

Dann kommt so ein Satz wie „Du kennst meinen Bruder, du weißt, was der für eine Waffe hat. Wenn mit mir mal irgendwas ist, und das muss nicht mal was mit dir oder mit euch zu tun haben, wir wissen, wo du wohnst, du bist der Erste, der weg ist." Selbst meine Mutter hat zehn Jahre lang nicht gewusst, was ich für einen Job gemacht habe. Die beste Legende ist die, die am dichtesten an der Wahrheit ist. Das heißt, ich habe immer erzählt, ich arbeite fürs Innenministerium. Und das Ganze habe ich so erzählt, dass es möglichst nach Schreibtischjob klingt. Jetzt kommt ein Satz, der tut vielleicht etwas weh, wenn du Vertrauen aufbauen willst, ist Klarheit wichtiger als Harmonie. Es geht nicht darum, nett zu sein, es geht nicht darum, gemocht zu werden. Willkommen zu einer neuen Folge „nah, neugierig & Negroni". Ich bin Friedl Wynants, euer Host, und habe heute Leo Martin an der Bar zu Gast. Und Leo ist ehemaliger Geheimagent. Bevor ich euch aber ein bisschen mehr zu Leo erzähle und darüber, was euch in dieser Folge erwartet, ein Aufruf an euch. Wenn ihr jemanden im Kopf habt, der oder die als nächstes an der Sundowner- Bar Platz nehmen soll, also sprich zu Gast hier im Podcast sein soll, sei es eine berühmte Persönlichkeit oder sei es jemand, der einfach aus anderen Gründen etwas Spannendes zu erzählen hat, dann schreibt uns. Schreibt uns auf Spotify in die Kommentare oder schreibt uns auf Instagram an. „nahneugierignegroni" ist die Seite. Und wir werden versuchen, dann eure Wunschgäste hier an die Bar zu zerren. Jetzt zu Leo, der heute hier zu Gast ist. Ehemaliger Geheimagent, der NDR nannte ihn mal den „Deutschen 007". Leos Job war es, jahrelang V-Männer im Bereich der organisierten Kriminalität anzuwerben. Das gilt in Geheimdienstkreisen als die Königsdisziplin, aber auch als gefährlichster Bereich der Informationsbeschaffung. Und Leo wird uns natürlich ein bisschen was darüber erzählen, was seine spannendsten Fälle waren, was auch mal brenzlige Situationen waren, aber vor allem natürlich, wie macht man das? Wie gewinnt man denn in kurzer Zeit das Vertrauen von wildfremden Menschen? Darüber werden wir heute mehr lernen und wir werden auch erfahren, wie es ihm gelungen ist, das Ganze zehn Jahre zum Beispiel auch vor seiner eigenen Mutter geheim zu halten. Seid gespannt und habt viel Spaß bei „nah, neugierig & Negroni". [Musik] Herzlich willkommen zu einer neuen Folge „nah, neugierig & Negroni". Schön, dass ihr dabei seid und ein ganz herzliches Willkommen an dich. Leo, du bist heute Gast an der Sundowner-Bar und bei „nah, neugierig & Negroni" geht es eigentlich immer mit der Frage los, die natürlich an der Bar sich als erste stellt. Was möchtest du trinken? Bei uns wird es heute ein White Cloud, kein White Russian. Das wird oft falsch serviert dann. White Cloud habe ich mal bestellt und guck mal, ist ein anspruchsvoller Cocktail, da kann man viel falsch machen, wie es heute läuft. Kilian, unser Barkeeper, heimlicher Star des Podcasts, hat ehrlicherweise schon geübt, darf ich sagen. Ich sehe gerade 04 Ananas, perfekt, ist noch im optimalen Bereich unterwegs. Jetzt musst du natürlich noch kurz erklären, warum diesen Cocktail? Das hat sich noch niemand gewünscht. Ich kannte ihn auch gar nicht. Ja, über diesen Cocktail bin ich in München mal gestolpert, irgendwo am Prinzregententheater, ist hinterhalb ein Spanier und da habe ich den getrunken und war so begeistert, dass ich wissen wollte, was da drin ist. Sie haben es mir aber nicht verraten und dann bin ich da am nächsten Tag nochmal hingefahren und dann habe ich mir einen Cocktail machen lassen und die Dame hat sich aber so bemüht, sich bewusst so gestellt, dass ich nichts sehe, was sie da für geheime Zutaten verwendet. Da habe ich einen zweiten bestellt, den konnte ich natürlich nicht trinken, weil ich noch heimfahren wollte. Dann habe ich ihn in einem Plastikbecher servieren lassen. Dann bin ich mit einem Cocktailbecher zwischen den Beinen, aus dem so ein Schirmchen herausragte, und bin hier zurück an den Nockherberg gefahren, wo ich wohne. Okay, und das hat die Begeisterung für den White Cloud, nee wie? White Cloud, du wirst es gleich sehen, das ist ein Top-Cocktail. Jetzt bin ich wirklich ein bisschen gespannt, aber er wird ja hier gerade schon zubereitet. Süß, zuckerig, Ananas. Solange das passiert, Leo, noch eine Frage, schiebe ich direkt hinterher. Die stelle ich gerne jeder und jedem zu Beginn. Was können andere von dir lernen? Wie man Vertrauen aufbaut, Menschen gewinnt, wie man erkennt, woran man beim anderen ist. Also das, was der sagt, sagt er das nur oder meint er das auch wirklich, will er wirklich kaufen oder suchst der nur ein Vergleichsangebot? Das sind so die Themen, mit denen ich unterwegs bin. Okay, da werden wir heute noch Licht ins Dunkel bringen. Jetzt ist er fertig, der White Cloud. Das heißt, jetzt müssen wir kurz unterbrechen, um deine Meinung zu hören. Ist das eine Zimtnote, die ich hier oben sehe? Das ist eine Schokonote. Eine Schokonote, die kenne ich noch nicht. Aber es ist Creme de Cacao White drin, das korrespondiert natürlich. Also, cheers. Cheers, was trinkst du da, Negroni? Da muss ich natürlich beim Namen des Formats bleiben. Hundert Punkte. Wirklich? Du darfst ehrlich sein. Also, bei der zweiten Runde tue ich einen Ticken mehr Ananas rein. Aber das ist so mein persönlicher Faible. Aber das ist richtig cool mit der Schokonote oben drauf. Sehr gut. Check. Leo, ich stelle dich gerne mal kurz vor. Du bist ehemaliger Geheimagent, Kriminalist, Vernehmungsexperte. Und der NDR hat dich mal den Deutschen 007 genannt. Heute bist du aus der Szene raus. Du berätst jetzt inzwischen Unternehmen in Sachen Vertrauen, Vertrauensaufbau, Führung, das hat ja auch viel mit Vertrauen zu tun. Oder eben Vertrauen der Kunden. Vielleicht mal kurz, um reinzufinden in dein heutiges Leben, wie können wir uns heutzutage einen typischen Tag bei dir vorstellen? Ja, also in der Beratung, da mache ich tatsächlich gar nicht so viel. Ich mache zwei Dinge. Heute zum Beispiel habe ich für ein großes Softwarehaus aus Nürnberg einen Vortrag gehalten, wo 500 Leute, das ist ein Showprogramm fast schon. Da kommt der Ex-Geheimagent Leo Martin, das sind die Geheimwaffen der Kommunikation, sanfte Strategien mit durchschlagender Wirkung. In Wirklichkeit geht es darum, wie lernst du die Geheimnisse fairer und anerkennender Kommunikation kennen einzusetzen und zu schätzen. Und das ist ein Vortrag, der ist interaktiv, der hat eine ganz gute Lacherdichte, dauert eine Stunde, Stunde 15, je nachdem, wie tief man in die Inhalte reingeht. Und ich werde in der Regel als Abschluss für eine Tagung eingesetzt. Wenn die Leute mit einer guten Stimmung da raus sollen, das ist das eine Ding, das ich mache. Und wer dann noch mehr möchte vom Content, wie baue ich Vertrauen auf, wie gewinne ich Menschen für mich, wie erhöhe ich in der Kommunikation meinen Wirkungsgrad auf andere, da gibt es einen Führungstrainingstag, Mission Vertrauen. Und da geht es dann den ganzen Tag um Inhalte und Führungstools. Okay. Wir kommen auf das Thema gleich. Und wir kommen natürlich auch auf deine Geheimdienstzeit und das eine oder andere sehr, sehr Spannende aus den Jahren zu Beginn. Du hast Kriminalwissenschaften studiert. Du warst dann, glaube ich, so circa zehn Jahre für einen großen deutschen Geheimdienst im Einsatz. Wie kam es denn? War dir immer schon klar, dass du dahin möchtest? Ich glaube, das kann man nicht planen. Also mittlerweile könnte man es planen. Der BND fährt aktuell eine riesengroße Rekrutierungsoffensive. Aber damals, als ich vor dieser Entscheidung stand, war es noch so, dass die Nachrichtendienste sich vor Infiltration von außen sehr stark geschützt haben. Eine Initiativbewerbung hätte mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht besonders gut funktioniert, sondern die Dienste haben immer schon, man nennt das getippt, das heißt, sie haben aktiv rekrutiert aus der Polizei, aus der Verwaltung, aus dem Militär. Und ich habe eine ganz vernünftige Polizeiausbildung gemacht in einem Jahrgang mit, das wären circa 360 Mann gewesen sein. Und damals die ersten Frauen bei der Polizei. Das war damals ein neues Thema noch. Ich war da ganz vorne mit dabei in den Rankings. Und dann kam irgendwann der Anruf, kannst du dir vorstellen, zum Verfassungsschutz zu gehen, dort Kriminalwissenschaften zu studieren. Okay. Und dann war es so, du hast eine Polizeiausbildung und dann rufen die so die Besten des Jahrgangs einfach an und sagen, du wärst was für einen Geheimdienst. Also der Verfassungsschutz schreibt Observationsstellen aus. Das ist der klassische Einstieg. Und diese Ausschreibungen hatte ich auch gesehen, die haben mich aber nicht interessiert. Und dann nach diesem ersten Kontaktgespräch, das es da gab, habe ich dann gesagt, nee, das ist nichts für mich. Weil Observation, das ist nett für junge Wilde, die ohne Rhythmus, ohne Regeln sich Tage, Nächte, Wochen und Monate um die Ohren schlagen wollen. Immer einer Zielperson auf der Spur. Mir war das, und das ist ein anspruchsvoller Job, nicht falsch verstehen, aber ich habe mir gesagt, das ist nichts für mich. Und dann sind wir so nicht zusammengekommen. Und dann kam das Angebot, komm zu uns ins Haus. Ich habe dann einen Weg gemacht. Ich war da zwei Jahre, habe Fallführung von der Pike auf kennengelernt, habe ein paar Spezialausbildungen bekommen, habe dann das Studium Kriminalwissenschaften machen können und bin dann als Operateur im Milieu der organisierten Kriminalität eingesetzt worden. Was mich auch noch interessieren würde, bevor wir in Fälle eintauchen, was verdient man als Geheimagent? Wird man da reich? Ja, also Millionär wirst du nicht so schnell. Da brauchst du 20 Leben wahrscheinlich. Ich habe angefangen im mittleren Dienst, habe dann meinen gehobenen Dienst relativ schnell gemacht und war auf der Kippe in den höheren Dienst. Also die staatlichen Laufbahnen sind immer dreigeteilt. Und als ich im gehobenen Dienst war, die Besoldungsstufen da zu Beginn, die waren damals roundabout 2000 Euro. Das ist brutto gleich netto beim Staat. Ach so, ja, okay. 2000 Euro? Das ist das, was jeder Polizist draußen verdient, der auf der Straße ist. Lass es mittlerweile 2.200 sein, 2.400. Aber das ist die Liga, ja. Ehrlich? Aber du gibst ja da, ich sage mal, was auf. Und das ist ja vielleicht auch gefährlich. Wir kommen ja dann noch drauf. Das gibt nicht irgendwie einen Aufschlag oder so was? Doch, da ist der Aufschlag schon drin. So, echt? Okay. Ich habe momentan keine Ahnung, wie diese Besoldungsgruppen momentan aussehen. Aber dann lass es 1800 oder 2,1 sein. Und dann hast du nochmal 300 Euro Gefahrenzulagen oder Schichtzulagen kommen dann noch dazu. Aber das ist der Standard in Deutschland. Jeder Polizist, jeder Feuerwehrmann, jeder Nachrichtendienstler ist in etwa in dieser Liga unterwegs, im gehobenen Dienst. Da gibt es ja auch noch den mittleren, es gibt auch den höheren drüber, aber da ist halt die Luft dünn, da gibt es nicht so viele Planstellen. Da wird dann schon Solide verdient. Ja, okay. Ich glaube, zu viele James-Bond-Bilder im Kopf, da ist ein großer Gap zwischen dem und dem. Ich glaube, bei den Nachrichtendienstlern, da stehen wenig Champagnerflaschen. Ja, wahrscheinlich. Dein Auftrag war es ja, Vertrauensmänner im Milieu der organisierten Kriminalität anzuwerben, zu führen und da, glaube ich, auch so Machenschaften russischer Mafiaorganisationen aufzuklären. Ich habe gelesen, das gilt sozusagen in Geheimdienstkreisen so ein bisschen als die Königsdisziplin und auch so der risikoreichste Bereich von Informationsbeschaffung. Was mich jetzt vor allem interessieren würde, wie sah denn jetzt so ein typischer Fall von dir aus? Was war da die Ausgangslage? Was war da euer Auftrag? Also, als Operateur, und ich war ja Werber, mein Job, also als Operateur, die Spezialfunktion war Werber, das ist der, der den V-Mann akquiriert, der ihn anwirbt, ja, der einen wildfremden Typen in kurzer Zeit unter hohem Druck dazu bringt, aus der Blockade und aus dem Widerstand in die Kooperation zu gehen. Und das heißt, ich habe mich gar nicht so um die Fallkonstellation außen herum gekümmert, ja. Nur mal um eine Liga klarzumachen, wenn du heute liest, im Hafen von Rotterdam, Amsterdam, Antwerpen, Zufallsfund von x100 Kilo irgendetwas, ja. Also wir haben keine Handtaschendiebstähle bearbeitet, ja, und haben auch nicht mit den Junkies am Frankfurter Hauptbahnhof zu tun gehabt, sondern das ist die Liga weit darüber. Und ich habe eine Zielperson bekommen auf meinen Schreibtisch, gehen dann in die operative Voraufklärung, das heißt alles, was behördenmäßig zu organisieren ist über diese Person, liegt dann auf meinem Schreibtisch, geht in die Analyse, dann werden Observationen gefahren, Kontaktbild, Bewegungsbild, Interessenbild, ja. Und aus den gesammelten Daten wird dann eine Strategie entwickelt, wie mache ich es am besten, diesen Typen zu überwerben. Und einer der wichtigsten operativen Aspekte ist, ich kann ihn ja nicht in seinem Umfeld ansprechen, sondern ich muss ihn von Anfang an irgendwo relativ isoliert bekommen, dass sein Umfeld von Anfang an auch nicht mitbekommt, dass ein Kontakt zu jemandem da ist, der regelmäßig auftaucht. Und das sind Operationen, die so zwischen 6 und 12 Wochen in der Regel dauern. Ok, also typischer Fall, so beschreibst du es übrigens auch in einem deiner Bücher, da geht es dann um irgendwie, sage ich mal, Drogenkuriere beispielsweise und solche Machenschaften. Kann man das so prototypisch sehen? Ja, also ich habe ja nicht nur Russen gemacht, sondern die Dienststelle, auf der ich war, wir haben Ostblock im weitesten Sinne gemacht, da waren Rumänien, Tschechien, Polen, Ungarn, alles dabei, was wir im weitesten Sinne als Ostblock bezeichnen würden. Und da haben wir natürlich auch alle klassischen Deliktsfelder und Rauschgift ist ganz vorne mit dabei, aber es ging auch teilweise um intelligentere Betrugsformen, wenn Organisationen beispielsweise Umsatzsteuerbetrugskarusselle betrieben haben, also wenn über Landesgrenzen hinweg Warenflüsse vorgetäuscht werden, die aber in der Realität nicht so existieren und man sich dann über die Rückerstattung der Umsatzsteuer die Kohle aus unseren Taschen zieht. Also da war alles dabei und dieses ganze Außenrum war aber gar nicht so meine Baustelle, sondern ich habe eine Zielperson gehabt, und mein Job war, dass er sein Sichtfeld mit uns teilt. Ja, genau so. Und wie geht man das jetzt an? Den rufst du ja nicht einfach an. Doch, kann passieren. Dann ist das ja ganz einfach. Ehrlich? Ja, das ist einer von vielen Wegen. Da gibt es kein richtig und kein falsch. Zum einen muss ich erstmal wissen, ich brauche absolute Freiwilligkeit. Ich kann ihn nicht zwingen. Ich kann ihn nicht an die Wand drücken und so lange Druck aufbauen, bis er sagt, wer da oben Aufträge erteilt und wo die Reise hingeht. Da gehen sehr schnell die inneren Türen zu. Ich habe einen einzigen Weg, die Person, die Persönlichkeit, die Beziehungsebene, ich habe Führung, ich habe Kommunikation, ich habe allgemeine Psychologie. Ich kann ihn mir auch nicht mit einem großen Geldkoffer kaufen. Ich bin auf absolute Freiwilligkeit angewiesen. Und die kriege ich nicht an Tag 1. Sondern die kriege ich, nachdem ich einen längeren Prozess durchlaufen bin. Ich gehe mal einen Standardprozess durch. Wie er regelmäßig gut funktioniert hat. Es gibt aber auch 100 andere Wege. Mein Special war immer, im Umfeld der Person sichtbar zu sein. Mich mit den Themen zu umgeben, die die Person interessieren. Im Zweifelsfall war das Ziel immer, dass ich ihn nicht anspreche, sondern dass er mich anspricht. Was können so Themen sein? Deine privaten Interessen und Hobbys. Deine Leidenschaften. Themen, für die du dich wirklich interessierst. Links, auf die du klicken würdest, wenn du Werbung bekommst. Das ist hochgradig individuell. Drum Kontaktbild, Bewegungsbild, Interessenbild. Informationen von Leuten aus deinem Umfeld. Dann baut man erst mal Kontakte auf. Bevor es um die Sache geht, möchte ich, dass die Beziehungsebene steht. Dann kommen zu einem sehr frühen Zeitpunkt aber auch die Karten auf den Tisch. Du, es ist kein Zufall, dass ich heute hier bin. Es ist kein Zufall, dass wir uns hier regelmäßig begegnet sind. Sondern ich arbeite für den Nachrichtendienst. Wir wollen, dass du für uns arbeitest. Dann muss ich ihm aber Insiderwissen auf den Tisch knallen. Also Wissen, von dem der bis zu der Sekunde dachte, dieses Wissen ist privat, geheim. Weil er mich zwingend als Sparringspartner auf Augenhöhe wahrnehmen muss. Insiderwissen worüber? Ich weiß, was ich in deiner Lagerhalle finde. Wenn ich jetzt schaue, bei dir im Keller, oder auf dem Toilettenspiegel hier im Club. Ich weiß, was ich da finde, aber weißt du was, das interessiert mich nicht. Ich habe ein komplett anderes Ziel. Du wärst der perfekte Mann dafür. Um da ein bisschen Druck aufzubauen? Oder warum dieses Insiderwissen? Das ist ein extremer Druck. Ich muss als Sparringspartner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Da muss auch Druck entstehen in dem Moment. Aber diesen Druck darf ich nicht mit mir verbinden. Wenn ich jetzt sagen würde, wenn du nicht mitmachst, dann mache ich dich und deine Bude platt. Dann setze ich mir den Rucksack auf. Dann verbinde ich das Problem mit mir. Dann bin ich Teil des Problems. Wenn ich aber nur sage, ich weiß, was ich da finde. Und das ist in deiner Lagerhalle. Das interessiert mich gar nicht. Ich habe einen anderen Plan. Dann ist der Druck da, wo er hingehört, in der Lagerhalle. Ich verbinde ihn nicht mit mir. Heißt aber auch, wenn der andere nicht mitspielt, dann ist es zunächst mal im Schritt 1 konsequenzlos für ihn. Dann ist es für dich erst mal vorbei. Du kannst ja nicht am nächsten Tag wieder dastehen. Ja, ich komme immer, wenn sich... Jetzt geht erst mal der Prozess der Lügen los. Warum ich? Ich weiß von nichts. Wer hat mich verraten? Dann weißt du wieder, du bist im Spiel. Dann wird man eine Handvoll Treffen angelogen. Nie von was gehört. Nie nichts gesehen. Er ist überhaupt der Falsche. Ich markiere immer, wenn er lügt. Dann sage ich, ich kann mir nicht vorstellen, dass du diese Person nicht kennst. Die kennt doch bei euch in der Szene jeder. Dann sagt er, ja, er nicht. Er kennt diese Person nicht. Dann sage ich, okay, kann ich mir nicht vorstellen. Aber wenn du das sagst, dann ist das für den Moment so. Dann lasse ich es gut sein für 2-3 Treffen. Dann kriegt er halt Observationsbilder hingehauen. Er mit diesem Typen zusammen, noch mal und noch mal. Irgendwann kommen die dann von selbst auf die Idee, dass sie uns testen. Was wollen die wirklich? Was wissen die wirklich? Dann kriegst du irgendeine Insider-Information hingeknallt aus einem Bereich, in dem es nicht wehtut. Da gibt es beispielsweise eine andere Organisation, die mit demselben Stoff dealen. Die bräuchte es dann nicht mit Bewerb im Markt. Dann kriegst du dort eine Information, wo es für das eigene Geschäft nicht schädlich ist. Jetzt geht der spannende Aspekt los. Jetzt muss der V-Mann, oder der ist in dem Moment noch kein V-Mann, er ist in dem Moment jemand, der einen Hinweis gegeben hat, muss erleben, dass die Information nicht zu einem Nachteil führt. Er wird nicht hinterfragt. Er gerät nicht unter Verdacht. Das Leben geht weiter wie bisher. Es gibt keinen Zugriff. Es klicken nicht die Handschellen. Dann erfährst du mehr über diesen Bereich. Irgendwann hat er dann einen Konflikt innerhalb der eigenen Organisation vielleicht, weil er sich über den Tisch gezogen vorkommt, weil er sich verraten fühlt, weil er das schlechtere Geschäft gemacht hat als jemand anders im Umfeld. Wenn du in so einem schwachen Moment vor Ort bist, kriegst du das erste Mal eine Information aus der eigenen Organisation heraus. Das muss er wieder erleben. Das A und das O. Vertrauen kann ich nicht erkaufen, nicht erzwingen. Ich kann es nicht mit rationalen Argumenten herbei argumentieren. Es entsteht über Erfahrungen und über Erlebnis. Die muss ich ihm schaffen, ganz konsequent. So erweitere ich mein Blickfeld Stück für Stück, die ganze Zeit. Und das in sechs bis acht Wochen? Ja, mal dauert es länger, mal geht es schneller. Da musst du ja schon wirklich Vertrauen aufbauen, damit jemand dann auch peu à peu so etwas mit dir teilt. Wundert mich, dass das dann doch vergleichsweise schnell geht. In so einer Anwerbungsphase hast du eventuell eine relativ hohe Trefffrequenz. Mit zwei bis drei Treffen jede Woche. Jedes Treffen ist auch vernünftig legendiert. Ich habe hier eine Information, es ist nichts fürs Telefon. Ich habe hier Bilder, mich interessiert, kennst du die? Das geht erstaunlich schnell, muss ich auch sagen. Ich war gerade zu Beginn, als ich diesen Job gemacht habe, überrascht, wie schnell man an wertige Informationen kommt. Ehrlich? Ich habe schon verstanden, dass du so ein bisschen Druck aufbaust, weil du das eine oder andere teilst, von dem die Person jetzt vielleicht nicht möchte, dass das jemand anderes erfährt. Aber was bewegt sie denn noch, mit euch zusammenzuarbeiten? Also zum Beispiel, wird da auch Geld bezahlt? Das ist ein Mix an Motiven, wir können auf eine Handvoll eingehen. Ich habe im Insider-Informationen hingeknallt. Jetzt fügt er sich ins Schicksal, er lässt sich auf Treffen mit mir ein, weil er Sicherheit zurückgewinnen muss. Was wissen die wirklich, was wollen die noch, wo geht die Reise hin? Dann hat er irgendwann die erste kleine Information verraten. Es geht ein neuer psychologischer Prozess los. Dieses Thema, ich stecke schon zu tief mit drin eventuell. Vielleicht komme ich hier nicht mehr schadlos raus. Dann gibt es in der Anfangsphase, fließt auch mehr Geld eventuell. Wir zahlen nie Geld gegen Information. Sondern? Ich persönlich, da gibt es auch viele Wege. Ich persönlich habe immer Auslagen sehr großzügig erstattet. Das Problem ist, wenn mein V-Mann im Milieu mitbekommt, dass der Gehalt an Information, den er mir liefert, mit Geld aufgewogen wird, dann kann ich einer Sache sicher sein, nämlich, dass die Geschichten immer wilder werden. Die haben nur, und das ist das Problem, bald mit der Realität nichts mehr zu tun. Wenn Geld fließt in der Anfangsphase, dann muss das immer anders motiviert sein. Kann man sagen, über was für Beträge man da spricht? Ich nenne hier keine Zahlen, aber das sind Beträge, für die du keinerlei Risiko eingehen würdest. Die auch, wenn man es ganz rational betrachtet, für sich allein gesehen das Risiko nicht wert sind. Okay, dann kann das also schon mal nicht die Hauptmotivation sein, das Geld? Andere Motivlage ist ein Mitbewerber ausschalten, in der eigenen Organisation mehr wert zu sein. Mal kann man ausländerrechtlich etwas unterstützen, mal kann man mit einer chronischen Krankheit von einem Familienangehörigen eine Hilfestellung sein. Es gibt ja hundert Möglichkeiten, für den Staat extrinsisch zu motivieren. Kannst du skizzieren, was für Personen das typischerweise waren, mit denen du zu tun hast? Jüngere, ältere, ist das eher die erste Linie? Am Ende willst du ja wahrscheinlich an die Hintermänner ran. Wie kann man sich diesen Menschen denn vorstellen? Organisierte Kriminalität ist sehr jung und sehr männlich. Ich habe kaum mit Frauen zu tun gehabt. Männer im Bereich Mitte 20 bis Mitte 30 war die Klientel, auf die ich angesetzt worden bin. Die Führungsebenen, die ersten zwei, drei sind relativ jung. Da ist niemand 50 oder 60. Wenn du organisierte Kriminalität Ostblock machst, dann ist es auch so, wer in der Struktur ganz oben ist, der ist nicht im Zugriff des deutschen Staates. Der sitzt irgendwo im Ausland und da sitzt der safe. Da hat er seine kriminellen Gewinne schon so in legale Geschäftsmodelle investiert, dass da auch eine Verflechtung Wirtschaft und organisierte Kriminalität da ist, die nicht mehr aufzulösen ist. Wir können nur die Strukturen klären, die wir hier vor Ort sehen. Wenn dann am Ende über so einen V-Mann ein Fall auffliegt, kommt der dann in der Regel irgendwie aus der Nummer raus, weil er ja unterstützt hat? Wenn er Glück hat, ja. Das muss man vorher verhandeln. Ich habe vorhin gesagt, Quellenschutz ist die Bibel. Und als Nachrichtendienstler kann ich nur erfolgreich sein, wenn es mir gelingt, meinen Mann langfristig an der richtigen Stelle zu platzieren, ihn an diesem Ort vielleicht sogar noch aufzubauen, dass er ein anderes Blickfeld bekommt. Und hier darf man sich keine Unfälle leisten. Ein V-Mann wird in der Regel, auch hier gibt es kein richtig und kein falsch, lang vor Zugriffsmaßnahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft von einer Organisation wieder abgedockt. Das heißt, der wird mit einer Legende versehen vom Nachrichtendienst, die klar macht, warum er die gemeinsamen Orte nicht mehr besucht, warum er nicht mehr in Kontakt mit Akteuren geht. Und dann kann man sich ja vorstellen, wenn wir ein Fallkomplex transparent gemacht haben, geht an die Staatsanwaltschaft, die gibt ihn auf die Polizeiebene nach unten. Dort wird weiter ermittelt, offen, verdeckt. Dann geht es wieder hoch zur Staatsanwaltschaft. Dort wird über Exekutivmaßnahmen entschieden. Da gehen Monate ins Land. Und so geraten Informanten dann aus dem Fokus. Wie wird eigentlich entschieden, ob man den Weg geht, dass man sagt, wir werben jemanden an, der schon drinsteckt. Es gäbe ja auch noch den Weg, wir schleusen jemanden ein, sag ich jetzt mal. Wann macht man was? Also auch hier, es gibt nie ein richtig und ein falsch. In der Medizin heißt es, es hat recht, wer heilt. Bei uns gilt, dass Ergebnisse zählen. Die müssen auch rechtsstaatlich erreicht werden, aber das ist alles. Es gibt eine Faustregel. Jemanden herausbrechen aus einer Organisation, das war mein Job. Informanten anwerben. Das sind Typen, die leben im kriminellen Milieu, die hängen davon ab, wirtschaftlich und sozial. Das sind in der Regel Mitläufer. Wer zu große eigene, egoistische oder wirtschaftliche Motive hat, den werde ich mit dem, was ich kann, nur ganz schwierig überwerben. Da kann man sich mal den Ochs zum Gärtner machen. Aber in der Regel sind es Mitläufer, Lagerhalter, Logistiker, Kuriere. Und das machen wir im Bereich der organisierten Kriminalität. Der Unterschied, das war der V-Mann, und der verdeckte Ermittler ist der Beamte. Der ist Beamter auf Lebenszeit, der hat eine Legende, die sehr wasserdicht ist, die in der Regel auf irgendeiner oder manchmal auf einer Vita aufgebaut ist von jemandem, der sehr früh gestorben ist. So faked man, würde man heute sagen, eine Geschichte zu einer Person, die dann ins Milieu geschickt wird und die sich in der Regel zehn Jahre im Milieu aufhalten wird. In verschiedenen Milieus. Da sind wir dann nicht bei sechs bis acht Wochen. Das ist der verdeckte Ermittler, der lebt im Milieu. Das habe ich nie gemacht. Ich habe meine Jungs nur rausgezogen und dann befragt. Der verdeckte Ermittler, der lebt im Milieu, der geht ganz andere Risiken ein. Der muss sich auf ein ganz anderes Umfeld einlassen. Und Milieu färbt auch ab, das darf man nicht vergessen. Und darum sind das auch Operationen, die auf zehn, in der Regel plus maximal zwei Jahre, angelegt sind, weil der Staat dann eine Fürsorgepflicht hat, eine Garantenpflicht. Und einen verdeckten Ermittler aus so einem Umfeld dann auch irgendwann wieder entlassen muss. Es gibt einen dritten Weg, wie man an Informationen kommen kann. Einen UCA in eine Organisation einschleusen. UCA ist ein sogenannter Undercover Agent. Das ist jemand, der keine so wasserdichte Legende hat, aber eine, die auf den ersten und zweiten Blick standhält. Im linken Bereich beispielsweise, die kriegen ja Pickel, wenn sie nur eine Uniform sehen. Und da langt es, wenn es eine Feuerwehruniform ist. Da brauchst du nicht kommen als Operateur und sagen, ich hätte gerne Informationen aus dem Milieu. Hier ist es tatsächlich leichter, man nimmt einen jungen Menschen und bringt ihn in dieses Milieu. Ja, okay, verstehe. Was war denn für dich der spannendste, interessanteste Fall? Was ist dir im Gerichtnis geblieben aus der Zeit? Also spannendsten Fall, das ist gar keine Kategorie, die ich jemals gedacht habe. Es gibt spannende Typen, die ich kennengelernt habe in der Zeit. Mit einer der prägendsten Typen war der V-Mann, über den ich auch meine Bücher geschrieben habe. Es sind in Summe drei geworden. Und alle haben dieselbe Person, die real existiert, auch als gedankliche Grundlage. Ich habe natürlich Eigenschaften der Person, Orte der Handlungen. Und alles, was einen Rückschluss auf den konkreten Fall zulassen würde, so abstrahiert, dass das eben nicht möglich ist. Aber das ist ein V-Mann gewesen, mit dem ich sehr viele brenzlige Situationen erlebt habe. Mit dem es immer spannend war, weil er eben dicht an der großen Organisation dran war. Und da gibt es viele Momente, an denen hab ich, bin ich jetzt auch schon über zehn Jahre raus aus dem Laden. Aber dieser Typ ist in meinem Kopf garantiert sechs, sieben, acht Jahre noch jeden Tag vorgekommen. Jetzt ist es seltener geworden. Warum hat er so einen Eindruck hinterlassen? Ich weiß es nicht. Das war einfach die Vielzahl der Erlebnisse. Und das war so ein persönliches Schicksal, das er auch hatte, das nicht ganz einfach war. Wo man auch in seinem Umfeld in Teilbereichen unterstützt hat. Der mal mehr Power gebracht hat, mal wieder mehr am Abgleiten war. Der immer Dynamik verursacht hat und immer Arbeit war. Das sind eher die kleinen Momente, an die ich da zurückdenke. Du hast gerade schon gesagt, du hast mit dem auch brenzlige Situationen erlebt. Kannst du mal eine schildern, was ist passiert? Eine ganz konkrete Situation. Beispielsweise ein Typ, mit dem du dich schon ... Also ein etablierter V-Mann, den du weit länger als ein Jahr triffst. Du hast das Gefühl, dass du relativ genau weißt, woran du bei ihm bist. Da wusste ich, ich weiß nicht alles, was er weiß. Und es war auch klar, über welchen Bereich er nicht redet. Aber ich habe in anderen Bereichen so viele Informationen bekommen, dass ich immer erfolgreich war damit. Und das ist ein ganz legitimes, nachrichtendienstliches Modell. Du kriegst nie 100 Prozent, das ist so. Und dieser Typ, der war in den Bereichen, über die er gesprochen hat, sehr redselig. Nur an einem Tag halt nicht. Er hat auch über sein Privates sich sehr geöffnet. An einem Tag war alles anders. Da steht er mit dem Rücken zur Fahrbahn. Das war bisher nie passiert. Der wusste immer, aus welcher Richtung ich komme. Und hat mir entgegengeschaut. Diesmal nicht, kann ja mal sein. Noch nicht groß komisch. Da macht er die Tür auf, lässt sich nur so reinfallen, kein Blickkontakt. Und ab der Sekunde weißt du, heute ist alles anders als sonst. Dann sage ich, hallo, grüße dich. Keine Antwort. So dann frag ich du, wie geht's? Er schaut zur anderen Seite zum Fenster raus. Frage ich, was ist los? Schaut er mich an und sagt nichts. Und was war passiert? Und, äh, da drauf zu kommen, das hat ein bisschen gedauert. Er war im sogenannten Verräterkomplex. Egal, wie gut etabliert so eine Beziehung zwischen V-Mann und V-Mann-Führer ist, das passiert intervallmäßig. Die fallen zurück in ihren Verräterkomplex. Das heißt, das schlechte Gewissen plagt ganz einfach. Die Organisation, für die er arbeitet, hat Regeln und Werte. Was könnten die 2 wichtigsten Werte sein? Kannst du es dir vorstellen? Von der Organisation, ja, sowas wie Loyalität. Und, äh, Vertraulichkeit, wie sagt man dazu? Verschwiegenheit, Loyalität und Verschwiegenheit. Das sind die 2 wichtigsten Werte. Die bricht er ja regelmäßig mit mir. Noch schlimmer, in meiner Beziehung zu ihm, habe ich dieselben beiden Werte auch aufgestellt. Da geht es auch um Verschwiegenheit. Der Kontakt zwischen uns, der ist top secret und es geht um Loyalität. Ich erwarte nicht zu 100% Loyalität, aber ich erwarte, dass die Sachen, die besprochen sind, dass die auch eingehalten werden. Und dasselbe biete ich natürlich auch. D.h. jetzt ist er im Verräterkomplex, das schlechte Gewissen plagt, er hat Druck von allen Seiten, hat aber kein Ventil, um sich abzureagieren. Das ist einfach eine absolute psychische Ausnahmesituation. Und in so einer Situation hörst du dann, irgendwann sitzt du auf einem Stapel Holzbrett an einem Waldrand, versuchst die Situation einzufangen oder rauszukriegen, wo genau der Schuh drückt, rauszufinden, was kannst du tun, um es wieder zu kanalisieren. Und du merkst schon, der Hals ist rot geworden, du siehst die Ader pochen, du siehst, er hat Stressflecken bekommen bis zur Stirn hoch, seine Augen sind irgendwie stier. Und dann kommt so ein Satz wie, du kennst meinen Bruder, du weißt, was der für eine Waffe hat. Wenn mit mir mal irgendwas ist, und das muss nicht mal was mit dir oder mit euch zu tun haben. Wir wissen, wo du wohnst, du bist der Erste, der weg ist. Und das sind Momente, da spürst du das Herz klopfen. Und zwar hoch bis zum Kopf. Und zwar, ob du willst oder nicht. Egal, wie oft du es schon erlebt hast, egal, wie gut du trainiert bist. Weil du dir überlegst, ok, operative Panik, kann er wissen, wo ich wohne, ist da irgendwas. Du bist am Abklappern von Eventualitäten. Und das sind so Momente, wo du spürst, dass du lebst. Und das sind so Momente, wo es auf einmal alles anders läuft als geplant. Und dann geht es darum, mit dem Fokus sofort wieder weg von mir, hin zu ihm, wie kann ich ihn aus dieser für ihn extremen Situation rausholen. Ist es gelungen in dem Fall? Ja, irgendwann schon. Auch nicht von jetzt auf gleich. Ich bin so ein Typ, ich bin relativ rational, ich bin sachorientiert. Ich hätte mir jetzt 15, 20 Lösungen nennen können, warum er sich nicht schlecht fühlen muss. Würde der so ticken wie ich, hätte das vielleicht funktioniert. Aber das war ein Typ, der hat im Grunde, war eines seiner ganz großen Stärken seine Empathie. Das ist einer, der sehr feinfühlig war. Und das ist kein Widerspruch zur organisierten Kriminalität. Sondern der sofort gespürt hat, was mit anderen los ist. Wie er sie auch kriegt. Und das war einer, der sanft an Informationen rangekommen ist. Und die brauchen halt keine schnelle Lösung, sondern die brauchen Bestärkung, Bestätigung, Beistand. Jemand, der da ist und zuhört. Die Klappe hält und zuhört. Und wenn du in Lösungen denkst, ist Klappe halten und zuhören nicht die leichteste Übung. Was war dessen Motivation, mit dir zu arbeiten? Das war in dem Fall, denke ich, eine Gemengelage. Der ist in relativ jungen Jahren mit mir in eine Situation reingeschlittert, die dann sehr, sehr lange Jahre gehalten hat. Das war zu Beginn, denke ich, zunächst wenig reflektiert. Thrill getrieben. Was ihn lang gebunden hat, nicht nur an mich, auch an den Kollegen, der ihn dann weitergeführt hat, war dieses Thema, immer das Erlebnis zu haben, konsequent zu 100%, die Information, die hier rausgeht, die hat für mich keine Nachteile. Aber ja auch keine Vorteile. Jain, du bist im kriminellen Milieu, in dem jeder nur für sich kämpft. Da ist der Typ, der immer da ist, der verbindlich ist, der verlässlich ist, der sich im Rahmen seiner Möglichkeiten für Dich-Win-Win-Situationen sucht. Der war auch in in einer U-Haft-Situation mal, wo man nicht wusste, sind das jetzt 2 Tage, 2 Wochen oder wird das eine längere Nummer? Dann die Familie so alimentiert, dass keine Engpässe entstehen und dass es dem Umfeld nicht auffällt. Das sind, man findet schon Themen, die funktionieren. Dann hast du dann außen rum um die Strippen gezogen, dass das alles passt, während er in U-Haft ist? Der Dienst hat Möglichkeiten gefunden. Interessant. Gab es, Der White Cloud, da muss man etwas aufpassen, der wird sehr schnell wässrig. Du musst dringend bisschen was trinken. Ähm, gab es Missionen, an denen Du gescheitert bist? Ja, regelmäßig. Ich schaue mal nur in die Jahre, als es darum ging, Vertrauensleute im Milieu anzuwerben. Du kriegst ja nicht jeden. Du hast bei keinem sofort Erfolg. Bevor ich ein Ja bekomme, und ein Ja ist die erste Information aus dem Milieu, die irgendeinen Wert hat, höre ich mir 30, 40, 50 Lügen an. Jede Lüge ist ein Nein. Und, das heißt, Es gibt nie den sofortigen Erfolg. Es gibt ganz selten mal einen Quick Win. Sondern es sind immer Prozesse, die wir durchlaufen. Mit langem Atem. Und am Ende ist es auch so, dass du nicht eine Erfolgsquote von 100% hast, sondern die liegt bei dieser Methode, die ich so ein bisschen skizziert habe. Was schätzt du denn? Wo liegt die Erfolgsquote? Das hab ich mich gerade gefragt, während du erzählt hast, also Erfolg im Sinne von, du hast ein Ziel und willst diese Person zum V-Mann machen. Teilt wertige Informationen. Teilt wertige Informationen. Ich weiß nicht, ich sage jetzt einfach mal 50%. Ja, 70% bis 80%. Das ist schon mal ein hoher Wirkungsgrad. Wie gesagt, du erfährst in keinem Fall alles. Sondern du kriegst irgendwelche zu Beginn geht es mit Randinformationen los, die nicht wehtun. Aber wenn Du hier konsequent lieferst, dann wird dein Sichtfeld sehr schnell weiter. In dem Bereich. Dann verlassen wir uns nicht nur auf einen V-Mann, sondern ich habe hier den V-Mann 1, hier habe ich den V-Mann 2, dann steht hier der V-Mann 3 und die berichten halt gegenseitig. Das heißt, ich habe am Ende dann schon ein relativ tragfähiges Bild über die Gesamtsituation. Es wird immer gewisse Lücken haben, es wird immer gewisse Unschärfen haben, aber prognosetauglich ist es allemal. Die wissen aber gegenseitig voneinander nichts? Nein. Quellenschutz ist die Bibel und sobald der Kontakt offenbart wird, ist das Spiel beendet. Ok. Leo, ich habe dich ja als Leo Martin vorgestellt. Ich glaube aber, dass es gar nicht dein richtiger Name ist. Stimmt das? Leo Martin, das ist aber auch kein Arbeitsname von damals. Das ist ein Pseudonym, mit dem ich heute als Autor, als Redner und als Trainer unterwegs bin. Das ist mehr so eine Spielerei mit diesem Thema Agent. Und das hat auch nichts mit meiner Sicherheit zu tun. Es gibt Leute, die glauben, ich habe ein riesengroßes Problem damit, wenn sie meinen bürgerlichen Namen nennen. Das ist mir scheißegal. Das Finanzamt kennt ihn auch. Du kannst mich auch googeln und musst nicht lange suchen, dann kriegst du drei, vier Möglichkeiten angeboten. Eine davon stimmt. Aber du hast in Deiner Geheimdienstzeit sicherlich schon auch Decknamen gehabt, oder? Das sind Decknamen gewesen, sogenannte Arbeitsnamen. Das ist eine sogenannte kleine Abtarnung. Das heißt, ein Operateur wie ich, wir haben ja vorhin auf den verdeckten Ermittler geschaut, der eine Legende hat, die im Zweifelsfall oder im Extremfall bis zu einer Geburtsurkunde durchgezogen ist. Das haben die meisten Operateure der Nachrichtendienste nicht, sondern da gibt es einen passenden Personalausweis. Es gibt vielleicht eine Tarnfirma. Es gibt vielleicht eine Handykarte oder ein Autokennzeichen, das irgendwo hinführt. Aber da drunter ist keine Substanz. Im Bereich der organisierten Kriminalität langt so eine Abtarnung aus. Wenn dein Gegner ein staatlicher Operateur ist, ein gegnerischer Nachrichtendienst, dann muss man hier auch wieder anders arbeiten. Aber das heißt, du hattest dann schon immer wechselnd, nach Fall auch, andere Namen, sage ich mal, andere Lebensgeschichte im Hintergrund, die du dann parat haben musstest so? Ja, aber das gehört zum Handwerkszeug. Also ich habe nicht für jeden Fall einen anderen Datensatz auch gehabt, sondern ein Datensatz, der wird so lange geritten, bis er Gefahr läuft zu verbrennen. Und ich persönlich, auch hier gibt es wieder keine Regeln. Du machst das, was funktioniert. Ich persönlich habe es immer so gehalten, dass die Vornamen einem Rufnamen entsprochen haben, auf den ich intuitiv höre. Das war immer von der Klangfarbe und vom Klang, vom Soundbild so ähnlich, dass ich reagiert, reagieren konnte. Nichts ist schlimmer, als gerufen zu werden und nicht zu reagieren. Ich wollte das grad sagen. Ich stelle mir das generell gar nicht so einfach vor, vor allem, wenn es dann auch noch gelegentlich mal wechselt, das immer so intuitiv dann auch parat zu haben und vielleicht auch in, sagen wir mal, nicht- Routine-Situationen in der Rolle zu bleiben. Ich mache es ja jeden Tag. Das ist wie der Bäcker, wenn der in der Früh um 3 Uhr aufsteht oder um 4 Uhr in der Backstube ist, der muss auch nicht das Rezeptbuch rausholen und gucken, wie war das gleich mit den Brezeln. Sondern der weiß, was zu tun ist. Natürlich kommt man da mal durcheinander. Das passiert jedem, mir auch passiert. Hat Gott sei Dank nie zu einem blöden Zwischenfall geführt. Aber man muss halt diese Fails gering halten. Wie war das in deinem Privatleben? Mit wem wem durftest du überhaupt was über deinen Job erzählen? Also die einzige Ausnahme ist tatsächlich die Partner- schaft. Selbst meine Mutter hat 10 Jahre lang nicht gewusst, was ich für einen Job gemacht habe. Sie hat natürlich gesehen, was hat der gemacht. Ja, der ist zur Polizei gegangen. Wir haben ihn noch hingefahren an Tag 1. Dann wurde er nicht mehr gesehen. Es ist ja nicht so, dass du irgendwo vom Himmel fällst und dann da bist und ein neues Leben führst. Sondern du kommst ja irgendwo her. Du hast ein Umfeld, du hast Freunde, du hast einen Sportverein, du warst im Musikverein, du warst vielleicht, ich jetzt nicht, aber andere, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Roten Kreuz. Und die kriegen ja alle mit, wo geht der hin, was macht der da. Und bei mir war klar, hier dieser Weg zu zur Polizei, und dann gilt beim Nachrichtendienst, diesen Schritt darüber, den hat eben niemand mitbekommen. Da gilt dann, die beste Legende ist die, die am dichtesten an der Wahrheit ist. Das heißt, ich habe immer erzählt, ich arbeite fürs Innen- ministerium. Stimmt ja im weitesten Sinne. Wir machen Be- kämpfungskonzepte gegen organisierte Kriminalität. Stimmte auch im weitesten Sinne. Ich muss es ja echt leben können. Du kannst die Lüge nur bedingt gut leben. Das Ganze habe ich so erzählt, dass es möglichst nach Schreibtischjob klingt, dass keine nachfragen kommen. Wenn tiefere Fragen kommen, dann Gag und weg, schön an der Oberfläche bleiben. Das hat 10 Jahre lang relativ gut gehalten. Selbst deiner Mutter gegenüber? Bei der am allerbesten. Ich habe irgendwann dann dieses erste Buch geschrieben, „Ich kriege dich, die Kunst, Menschen zu gewinnen" und meine Mutter, die ist eine, die, die hat eine riesen- große Stärke. Also die Recht- schreibfehler springen sie an. Bei mir passiert das Gegenteil. Ich lese die nicht, vielleicht beim 3. Mal. Sie hat dann das Manuskript zu meinem ersten Buch als erste gelesen, weil ich es dem Verlag möglichst perfekt geben wollte. Da war meine Mutter genau die Richtige. Und ab dem Moment hat sie zwei Mal am Tag angerufen, weil sie hat sich Sorgen gemacht hat. Da habe ich erkannt, dass diese Geheimhaltung, da geht es nicht nur um den Operateur und um den Quellenschutz, sondern auch im sozialen Umfeld ist es besser für alle Beteiligten, wenn niemand was Genaues weiß. 10 Jahre vorher dachte sie, du sitzt in der Rosenheimer Straße am Schreibtisch und arbeitest da so ein bisschen im Hintergrund bürokratisch. München- Ettstraße oder Weyerstraße, irgendwie sowas dachte sie. Ja, wahnsinn. In der Partnerschaft ist die Grenze ein bisschen weiter, hast du gesagt. Wie weit? Naja, du musst dir das so vorstellen, also wenn du Auswerter und Fallführer bist, dann kannst du heutzutage auch erzählen, dass du für den Verfassungsschutz oder sogar für den Bundesnachrichtendienst arbeitest. Dann will man nur, dass du keine Kompromate hast. Als dass du ein Leben lebst, das du offen lebst und nicht irgendwelche Themen hast, die dich angreifbar, erpressbar machen. Als Operateur ist das natürlich ein bisschen anders zu bewerten. Stell dir vor, du hast 5, 6 Zielpersonen oder V-Leute, die du führst. Und eventuell hast du 2, 3 Handys. Die liegen da im Bett auch nachts. Es klingelt, du gehst dran, deine bessere Hälfte darf nicht mithören. Dann kommst du zurück und sagst, ich bin mal 2 Stunden weg oder 2 Tage. Ja gut, das kannst du nicht mehr mit einem Bürojob bei der Polizei erklären. Das erklärst du nicht mehr, da kommen Fragen auf. Wenn deine Beziehung einen Hauch von einem Wert hat, musst du eine offene Kommunikation finden. Das weiß auch der Dienst. Natürlich. Aber auch hier wird ja nicht über Namen, Zahlen, Daten, Fakten, Fälle gesprochen. Auch hier wird eher tief gestapelt. Da zähle ich auch nicht, du oder der andere hat mich heute bedroht, sein Bruder hat eine Waffe. Butter bei den Fischen, das muss doch irgendwann mal raus, bei irgendwem, oder? Ja, aber das wird innerdienstlich geregelt. Also du hast immer, also bei der Polizei da bist du im Team auf Streife. Bei uns ist es so, du bist Einzelkämpfer, du bist One- Man-Show, du bist mit dem V-Mann alleine. Natürlich gibt es einen Stellvertreter eventuell. Oder jemanden, der mal übernimmt. Aber wir sind nicht im Team unterwegs, standardmäßig. Vielleicht haben wir mal eine Observationsgruppe um uns herum, die uns abdeckt und absichert. Aber das sind die Ausnahmefälle. Ich entscheide in jedem einzelnen Fall, was im Bericht steht, wen ich mit einbeziehe. Und ob ich mich irgendwie, ob ich einen Gesprächsbedarf habe oder nicht. Und dafür gibt es intern halt, heute würde man sagen, Supervisionen. Ok, ja gut. Das heißt, Gespräche über den Job im Detail daheim gibt es auch nicht. Aber zumindest die Transparenz, dass es in diesem Bereich ist. Dem Staat ist ja auch klar, dass Nachrichtendienstler in Drucksituationen arbeiten und dass sie es mit menschlichen Schicksalen zu tun haben, die man als Extrem- situation bezeichnen könnte. Und dass man damit einen Operateur nicht alleinlassen kann. Das ist auch klar. Das war schon immer klar. Und eine Dienststelle, die vernünftig geführt wird, die nimmt da auch extrem Rücksicht drauf. Hat dein Privatleben darunter gelitten? Nein, weil damals war der Job für mich im Fokus. Da war der Job das Einzige, was wirklich interessiert hat und wichtig war. Ich habe gerne vieles hinten angestellt. Du hast irgendwann kein Vereinsleben mehr. Du gehst nicht mehr immer Donnerstag und Dienstag mit Patrick zum Sport. Deine Freunde haben sich daran gewöhnt, dass du wieder kurzfristig eine Verabredung, eine Feier, einen Geburtstag, ein Grillfest absagst. Das war für mich immer okay, weil, ich bin ja nicht rausgefahren, weil ich Dienst hatte, sondern weil es Sinn gemacht hat. Und weil es etwas zu tun gab, was jetzt Sinn gemacht hat und was keinen Aufschub geduldet hat. Aber nach 10 Jahren in diese Richtung, ist es dann auch echt schön gewesen, dieses Muster mal wieder zu unterbrechen. Das glaube ich. Ist das normal, dass man diesen Job nicht ein Leben lang macht? Nein, die Regel ist, du bist Berufs- beamter auf Lebenszeit. Es gibt auch Operateure, die das bis zum Schluss machen, die, damals war es noch mit 60 oder 63 als Operateur dann irgendwann in ihren Ruhestand gehen. In der Regel ist es so, dass man aus der Operative dann irgendwann in den Innendienst geht. In die Auswertung oder in Führungsaufgaben oder auf irgendeine Service- Dienststelle. Aber es gibt wenig Nach- richtendienstler, die aussteigen, auf jeden Fall nicht in Deutschland. Da bist du die Ausnahme. Die Ausnahme wäre ich in den USA. Da ist es sehr viel gängiger, dass Dienstlier irgendwann in die Wirtschaft gehen, in die Sicherheit. Ok. Du sagst, und hast es, glaube ich, auch in deinem Buch geschrieben, in jedem steckt ein Top-Agent. Wie meinst du das? Ja, also meine Bücher, meine Bücher sind so eine Spezialgeschichte. Ich habe geschrieben „Ich kriege dich – die Kunst Menschen zu gewinnen", „Ich durchschaue dich – die Kunst Menschen zu lesen", und „Ich stoppe dich – Nervensegen, Energiekiller eliminieren. Also der zentrale Punkt ist immer der Mensch, wie erkenne ich, wie der tickt, was für Verhaltensmuster sind typisch, und Wie nutze ich die, um in der Kommunikation wirksamer zu sein? Wenn ich den anderen, meine Ideen, Gedanken, Projekte, Ziele gewinnen möchte. Manchmal sind es die kleinen Tricks und Kniffe, die den Unterschied machen. Lass uns doch mal in ein, zwei, drei von diesen Kniffen reinschauen. Also wenn ich das Vertrauen meines Gegenübers gewinnen möchte, was kann ich tun, was sollte ich tun, was ist so praxisnah? Ein Phänomen, das ich irgendwann erkannt habe, ist, dass niemand eine wirkliche Ahnung hat, was Vertrauen überhaupt bedeutet. Vertrauen ist ein Begriff, der ist riesen- groß, der hat keinen Anfang, der hat kein Ende, der wabert um dich herum, der rinnt dir zwischen den Fingern hindurch. Wenn ich von einer Gruppe im Training mit Führungskräften, egal wie erfahren die sind, frage, was ist Vertrauen eigentlich für euch? Dann ist immer Stille. Und diese Stille ist immer länger als fünf Sekunden und das zeigt, dass ist keine leichte Frage ist. Da gibt es keine automatisierte, gelernte Antwort, die du einfach rausschießt, die dann immer richtig ist, sondern das ist eine tiefe, schwere Frage. Du gehst in dich und überlegst dir, ja, was ist das überhaupt dieses Vertrauen? Was ist das für dich? Und ... dazu komme ich gleich. Erstmal das Erlebnis, wenn du 100 Leute fragst, was ist Vertrauen, kriegst du 100 Antworten von Loyalität, Handschlag, Qualität, wenn einer nicht lügt, eine richtig breite Palette kommt raus. Wenn ich dir die kürzestmögliche Formel, um Vertrauen aufzubauen, hinknallen sollte, die klingt erst sehr abstrakt, ich übersetze dir gleich. Vertrauen ist gleich Sicherheit plus Anerkennung. In anderen Worten, du hast mit Kunden zu tun, in einer vertrieblichen Situation. Vertrauen hat die Chance zu entstehen, wenn der Kunde spürt. Es ist nicht, was du behauptest. Wenn der Kunde spürt, du weißt, wovon du sprichst, du bist sattelfest in deinem Thema, Sicherheit geben. Und wenn er auch spürt, Anerkennung, dass er wichtig ist. Es geht hier nicht um deine Quartalszahlen, sondern es geht um die beste Lösung für ihn. Vertrauen in eine Führungssituation übertragen. Vertrauen hat die Chance zu entstehen, wenn der Mitarbeiter spürt, er weiß, woran er bei dir ist, was mit dir geht, was mit dir nicht geht, womit er rechnen kann und womit nicht Glasklares Bild, ein Profil. Wie gehst du als Führungskraft damit um, wenn Deadlines nicht eingehalten werden und der Mitarbeiter teilt es nicht rechtzeitig mit? Wie gehst du als Führungskraft damit um, wenn sexistische Sprüche an der Kaffeemaschine gerissen werden? Oder wenn jemand zu spät zum Meeting kommt? Da muss Klarheit bestehen. Da gibt es so ein paar Handwerkszeuge, ein paar Tools in der Kommunikation, die genau dieses Gefühl auslösen. Es sind immer Kommunikationstools. Können wir gleich noch kurz drauf schauen. Also ist das auch deine Definition? Vertrauen ist gleich Sicherheit plus Anerkennung? Der andere muss wissen, woran er bei mir ist. Das heißt, in Wirklichkeit geht es um Klarheit in der Kommunikation. Und jetzt kommt ein Satz, der tut vielleicht etwas weh. Wenn du Vertrauen aufbauen willst, ist Klarheit wichtiger als Harmonie. Es geht nicht darum, nett zu sein, es geht nicht darum, gemocht zu werden. Es geht erst recht nicht drum, es meinem V- Mann oder du deinem Mitarbeiter oder deinem Kunden in jedem Fall zu 100% recht zu machen, sondern es geht in erster Linie um Berechenbarkeit, um Klarheit. Es geht auch um rote Linien, um Grenzen, um Neins. Das ist das A und das O. Wer das erkennt, wird bei Menschen leichter punkten können. Und zwar auch in Situationen, wo er es ihnen nicht recht machen kann. Du hast gerade schon kommunikative Tools angesprochen. Hast du noch etwas aus dem Werkzeugkasten, was vielleichte unsere Zuhörenden und -schauenden mitnehmen können? Du hast eine Präsentation gemacht von den Kunden. Du hast dir konzeptionelle Gedanken gemacht. Du stellst dein Konzept vor und fragst mich, du, wie war die Präsentation? Und ich geb dir folgendes Feedback. Du hast alles toll gemacht, die wichtigen Punkte waren alle drin. Aber als du gemerkt hast, dass ich auf die Uhr schaue, da hast du begonnen erstens, extrem schnell zu sprechen. Dann ist dir passiert, dass du zwischen den einzelnen Punkten so hin und her gesprungen bist. Anfang, Mittelteil, Ende und umgekehrt. Das es echt schwer war, dir zu folgen am Ende. Wenn du so eine Rückmeldung bekommst, wie fühlt sich das an? Nicht so gut. Viele Hörer werden sagen, das geht doch. Wir haben echt schon schlimmeres erlebt. Aber so richtig geil war es nicht. Gegenkonzept: Du fragst mich, wie war die Präsentation und ich sag dir ein einziges Ding. Bevor du am Montag beim Kunden präsentierst, überleg dir eine einzige Kleinigkeit, ob du mit einer kleinen Agenda in das Gespräch gehen möchtest. Drei Punkte, mehr braucht es da gar nicht. Dass du einfach von oben nach unten stringent durchgehst. Und auch wenn du merkst, da schaut einer auf die Uhr, lass dich nicht hetzen. Dann wirst du noch besser verstanden. Das ist eine ganz andere Liga und das ist ein klitzekleines Führungstool. Wenn ich meine Führungskräfte frage, du was war denn der entscheidende Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Feedback, dann kommen hunderts Sachen, die richtig sind. Aber der Punkt wird nicht erkannt, der essentiell ist. Da kommt, da war kein Aber drin, das war vielleicht eine Ich-Botschaft. Das war konstruktiver, das war lösungsorientiert. Das ist alles richtig. Aber der Unterschied, der die zweite Variante so viel geiler macht, ist das erste war ein Feedback. Das hat in die Vergangenheit geführt. Du hast so schnell gesprochen, du bist hin und her gesprungen. In der Vergangenheit kann man gegenüber nichts mehr verändern. Das ist der Grund, warum jetzt relativ schnell schlechte Gefühle entstehen. Das zweite war gar kein Feedback, sondern es war ein Feedforward und das ist der Schlüssel. Das war zukunfts- orientiert. Ich sage meinem Gegenüber ein einziges Ding, und zwar, was er beim nächsten Mal anders machen kann, wenn er besser werden möchte. Du, kleine Agenda, drei Punkte, mehr braucht es nicht und lass dich nicht hetzen. Das ist ein Game- Changer in der Führungskommunikation und das ist auch ein Game-Changer in der privaten Kommunikation. Probier es aus zu Hause, viel weniger Widerstand mit Frau und Kindern. Zum Abschluss, der White Cloud leert sich, aber es ist immer noch verdächtig voll. Man reiche ihm einen Löffel. Wir haben hier extrem viel Crushed Ice. Achso. Damit habe ich kein Problem, mit dem Wasser, aber es setzt sich nach oben ab und dadurch ist der Spaß nur noch halb so groß. So zum Ausklang, Leo, vermisst du deine Zeit manchmal, deine aktive Geheimdienstzeit? Ja und nein, das war eine tolle Zeit, von der ich bis heute profitieren darf. Ich habe da Erlebnisse gemacht, die kriegst du so kompakt nirgendwo anders. Und auch Extrem- situationen, die du so in der Dichte nicht woanders erlebst, an denen ich wachsen durfte. Ich habe zwei Chefs gehabt, die ungeheuer in mich vertraut haben, die mir Sachen ermöglicht hatten, die fast beispiellos sind. Auch daran durfte ich wachsen. Das war eine tolle Zeit. Das Tollste an der Zeit war, auch wenn ich als Einzelkämpfer draußen auf der Straße unterwegs bin, ich war Teil eines Teams, das gemeinsam eine halbwegs sinnvolle Sache gemacht hat. Wenn ich heute auf Tagungen und Kongressen unterwegs bin, meine Führungstrainings mache, dann fehlt mir manchmal dieses Operative, dieses Einsatz, dieses Ad-hoc-Leben. Aber ich brauche es jetzt auch nicht mehr jeden Tag. Und das Adrenalin, fehlt dir das auch manchmal? Adrenalin habe ich auch heute noch ganz schön häufig. Der Respekt passt. Leo, an dich ein ganz, ganz herzliches Dankeschön, dass du Gast an unserer Bar warst. Ich hoffe, der White Cloud hat es entschädigt. Jetzt musst du ihn aber langsam austrinken. Ich fand es ganz interessant, von dir mehr über die Welt der Geheimdienste zu hören, aber auch darüber, wie wir das irgendwie alle für unser Leben nutzen können, was du an Handwerkszeug gelernt hast. Danke, dass du da warst. Danke an euch, dass ihr zugehört habt, dass ihr wieder mit dabei wart. Bis zum nächsten Mal bei „nah, neugierig und negroni". ;||

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