#2 An der Bar mit Extremsportler Lukas Irmler: Wie lernen wir, unsere Ängste zu überwinden?
28.02.2024 44 min
Video zur Episode
;
Zusammenfassung & Show Notes
Mein heutiger Gast ist Lukas Irmler – Slackliner-Weltrekordler mit Höhenangst. Von ihm lernen wir, wie wir unsere Ängste überwinden und warum der erste Schritt dabei der wichtigste ist.
Alle Folgen kannst du auch auf YouTube anschauen:
https://www.youtube.com/@nahneugierignegroni
https://www.youtube.com/@nahneugierignegroni
Folge uns auch auf Instagram und TikTok:
- https://www.instagram.com/nahneugierignegroni
- https://www.tiktok.com/@nahneugierignegroni
Offizielle Website:
https://nahneugierignegroni.letscast.fm/
https://nahneugierignegroni.letscast.fm/
Transkript
Aber als ich das erste Mal auf so einer Slackline saß, habe ich wirklich so lähmende
Panik erlebt. Als ich angefangen habe, Handstand auf der Slackline zu machen,
habe ich dann natürlich auch diesen Wunsch gehabt, diesen Handstand auf höheren
Slacklines zu machen. Und die erste wirklich krasse Highline, wo ich das dann mal
probiert habe, war überhalb der Eiger-Nordwand. Also ich
meine, das ist halt schon eine krasse Wand. Wenn man da so
einen Handstand drauf macht, dann schaust du halt gerade nach unten. Also du
schaust auf die Leine zwischen deinen Händen, aber du schaust halt vor allem auch
straight in den Abgrund rein. Und das war
was, wo ich selber wieder gemerkt habe, okay, ich kann
auf diesem Ding laufen, ich kann in der Umgebung rumschauen, es macht mir
alles nichts aus. Aber in dem Moment, wo ich hier
komplett gerade runter schaue und was probiere, was
wirklich schwer ist für mich, ist die Angst genauso wieder zurück wie am
Anfang. Wenn ich halt an einem Abgrund stehe, habe ich aber halt natürlich einen ganz
anderen Gedanken. Da habe ich nicht den Gedanken, oh ja, ist ja eigentlich
sicher, sondern da habe ich den Gedanken, oh mein Gott, ich
könnte sterben. Und das ist eben genau dieser
Spagat, oder, dass du es halt schaffst, aus dieser Emotionalität in dem
Moment rauszukommen und halt ganz klar einfach zu
beurteilen, was ist Sache, was kann ich tun?
Und damit herzlich willkommen zu einer neuen Folge von
nah, neugierig und Negroni. Mein Name ist Friedl
Wynants, wir sind in der Sundowner Bar von you know hier in
München. Heute zu Gast Lukas
Irmler, Profi Slackliner mit
Höhenangst. Viel Spaß.
Lukas, ich freue mich, dass du heute hier Gast an der
Sundowner Bar bist. Du hast dir ja einen Sanbitter gewünscht
als Getränk. Der ist auch schon da. Perfekt.
Und ja, dann würde ich sagen, starten wir direkt rein mit der
Frage, die ich gerne allen Gästen zu Beginn stelle. Was
können andere von dir lernen?
Ich glaube, von mir kann man auf jeden Fall lernen, mutig seinen eigenen
Weg zu gehen, also seiner Passion zu folgen
und vielleicht sogar eben auch einen Beruf daraus zu machen.
Sehr gut, und wie das bei dir geklappt hat, das werden wir in der nächsten
Dreiviertelstunde erfahren. Für euch
liebe Zuschauenden und Hörenden noch, Lukas
Irmler ist heute unser Gast. Er ist Profi Slackliner
und hat sich aufs Highlinen spezialisiert. Was
bedeutet, dass er auf einer 2,5
Zentimeter breiten
Leine oder einem Seil über hunderte Meter tiefe
Abgründe läuft und
hat in den letzten Jahren zahlreiche Weltrekorde
aufgestellt. Zum Beispiel die längste Highline, ich glaube
einen Kilometer mit verbundenen Augen. Also
einfach auch extreme Dinge, glaube ich, erlebt und gemacht. Und er ist
auch der erste, dem der sogenannte Luke Skywalker
Trick gelungen ist, der jahrzehntelang als nicht
machbar galt. Und was das genau heißt, das werden
wir nachher natürlich klären. Und was ich
ganz besonders spannend finde, Lukas hatte
früher Höhenangst und wie man dann darauf kommt,
Highliner zu werden sozusagen, das ist natürlich das, was
wir heute ein bisschen beleuchten möchten. Insofern nochmal herzlich
willkommen. Schön, dass du da bist und jetzt sitzt du hier
sozusagen mit mir ganz entspannt am Tresen. Standest du heute schon
auf einer Slackline oder auf einer Highline?
Ja, hier ist es auf jeden Fall gemütlich und vielen Dank für die
Einladung. Also heute habe ich es tatsächlich noch nicht auf die Slackline
geschafft. Gestern Abend war ich noch drauf, aber heute
hatte ich zu viele Termine und morgen geht es dann aber wieder
zurück.
Wie kann ich mir einen Tag in deinem Leben vorstellen?
Ja, also es ist immer ganz schwer, so einen klassischen Tag bei mir zu
beschreiben, weil es gibt eigentlich so wenig Routine oder wenig Alltag.
Deswegen ist jeder Tag irgendwie anders und das ist auch genauso, wie ich das
möchte. Aber im Grunde genommen beginnen die
meisten meiner Tage morgens mit einer Runde Yoga. Das ist
zumindestens die einzige Konstante, die es gibt und
dann driften die Wege weit auseinander. Dann kann es sein, dass ich
Slacklinen gehe, es kann sein, dass ich eine Bergtour mache, eine Skitour mache, klettern
gehe. Es kann aber auch sein, dass ich wie heute zum Beispiel auf die
Messe gehe in München, Termine wahrnehme und
sozusagen die Büroseite meines Jobs
auslebe. Aber spätestens morgen geht es dann wieder in die
Berge.
Okay, sehr gut. Du standest schon in ziemlich
jungen Jahren auch auf der Slackline. Kannst du mal so ein bisschen beleuchten, wie du
überhaupt dazu gekommen bist?
Ja, ich habe mit 18 das Slacklinen angefangen, also für einen
Profisportler verhältnismäßig spät, könnte man sagen. Auf der anderen
Seite für den Slacklinesport 2008 relativ früh,
weil da war der Sport noch nicht so
wirklich in aller Munde. 2006 habe
ich angefangen, um genau zu sein. Und ja,
da war das für mich eigentlich erstmal so, dass ich diesen Sport
kennengelernt habe, aber festgestellt habe, dass ich überhaupt nicht auf die Slackline
draufkomme und überhaupt nicht drauf stehen kann. Und eigentlich dachte, das
wäre nichts für mich.
Ich kenne das Gefühl.
Ich glaube, das kennen viele, dass es das erste Mal beim Erstkontakt
so sehr, sehr unmöglich ausschaut
und man sich einfach denkt, das wackelt so viel,
wie soll das bei mir funktionieren? Aber das ist eigentlich wie bei
allen Dingen, man muss halt üben, man muss dranbleiben und man muss halt vor
allem den gewissen Willen oder Wunsch mitbringen, das halt
tatsächlich zu schaffen. Und bei mir war das einfach so dieser Ehrgeiz, der
irgendwie da war, wo ich gesagt habe, ich muss da mindestens einmal rüberkommen, dann kann
ich das sein lassen. Und nachdem ich dann einmal rübergelaufen war,
konnte ich es halt nicht mehr sein lassen.
Es blieb nicht bei einem Mal rüber. Jetzt bist du heute
Profi. Das heißt, wie ging das dann nochmal weiter von den
ersten Schritten auf der Slackline zum Profi?
Ja, das war ein langer Weg und das ist auch ein spezieller Weg
gewesen beim Slacklinen, denke ich, weil einfach im Grunde genommen eigentlich so die
erste Generation bin, die das überhaupt profimäßig machen
kann und es eigentlich nur eine Handvoll Slackliner auf der Welt gibt,
die das irgendwie als Profisport ausüben, sage ich
mal. Und es war am Anfang überhaupt nicht
abzusehen oder klar, dass das vielleicht mal in die Richtung gehen kann. Das war wirklich einfach
ein Hobby, ein Sport, den ich gemacht habe. Und irgendwann habe ich dann
mal so die erste Show gemacht eigentlich, wo man einfach mal einen Auftritt hatte
mit der Slackline. Und wo ich festgestellt habe, hey cool, man kann
damit Leute begeistern. Das ist eine Sache, die einfach Spaß
macht für mich zu machen, aber vor allem auch dem Publikum
einfach irgendwie einen Mehrwert bietet. Und da habe ich dann eigentlich so langsam
begriffen, dass man daraus vielleicht auch noch einen Beruf machen könnte. Und
inzwischen hat sich das halt extrem diversifiziert mit
Vorträgen, die ich mache, eben Showauftritten, natürlich Workshops.
Sponsoren, die ich habe, als Profisportler und
Medienauftritten. Also da gibt es wirklich jeden Tag was
lustiges Neues zu erleben. Und das ist eigentlich das Schöne daran, dass man
immer wieder mit anderen Menschen auch so in Kontakt kommt.
Ja, jetzt hast du es gerade schon so ein bisschen angedeutet. Ich habe mich tatsächlich
gefragt, wie verdient man denn als Slackline-Profi Geld?
Mal ganz direkt gefragt.
Ja, ist eine wichtige Frage, oder? Also ich meine, man muss irgendwie seine
Brötchen verdienen, man muss irgendwie sein Leben finanzieren können.
Und da habe ich das große Glück, dass das tatsächlich inzwischen mit meiner Leidenschaft
möglich ist. Aber wie ich eben gerade gesagt habe, im Grunde genommen
ist zwar alles in meinem Leben um das Slacklinen herum aufgebaut,
aber es sind natürlich schon irgendwie so verschiedene Business-Modelle eigentlich,
die da ineinander greifen. Wie gesagt, bin ich
Vortragsredner, eben auf Firmen-Events
gebucht für interne oder externe
Kundenveranstaltungen, wo man dann wirklich auch
als Impulsgeber ist im Grunde genommen und einfach
einen Motivationsvortrag hält oder einen inspirierenden Vortrag
hält. Gleichzeitig mache ich eben
Showauftritte, wo ich zwischen Kirchtürmen oder über
Firmenfesten oder wo auch immer meine Slackline spanne
und mit oder ohne Kostüm drüber laufe und da
kann man auch wirklich sich verrückte Sachen ausdenken. Ich war jetzt gerade in
England und habe so eine Weihnachtsbeleuchtung quasi eingeweiht
und angeschalten in der Stadt. Und da hatte ich dann ein LED
beleuchtetes Kostüm an und meine Slackline war
ebenfalls mit Lampen
ausgeleuchtet. Es ist natürlich auch mal eine coole Geschichte und ich bin
immer wieder zu haben für so verrückte Ideen. Und so wird es
eigentlich nie langweilig in dem Beruf.
Okay, also wenn man mal einen guten Show-Act für eine Firmenfeier braucht, dann
ist man bei dir richtig.
Dann einfach mal anrufen.
Sehr gut. Wie kann man sich das vorstellen, wie viel trainierst
du denn dafür, was du tust?
Ja, ist immer eine schwierige Frage, weil das extrem abhängig ist davon,
auf was ich gerade trainiere, was für ein Projekt ich auch gerade trainiere.
Aber man kann eigentlich schon sagen, dass ich so im Schnitt zwischen ein- und
dreimal am Tag eigentlich trainiere. Also ich habe gerade eigentlich schon anfänglich
gesagt, ich mache im Grunde genommen fast jeden Morgen
Yoga. Dann in der Regel
halt nochmal irgendeine andere Sporteinheit, sei es Slacklinen
gehen oder Klettern gehen oder sowas. Und an manchen Tagen kann es schon auch
mal sein, dass ich irgendwie noch eine dritte Session
hinterher schiebe, wenn ich wirklich den ganzen Tag für Sport Zeit habe.
Und deswegen eigentlich so gut wie jeden Tag und
manchmal auch mehrmals.
Und jetzt im Winter in der Halle indoor oder wie?
Ja, nee, also beim Slacklinen ist es tatsächlich schon so, dass man meistens outdoor
trainiert. Also ich habe das große Glück, ich habe auch im Keller bei mir eine
Slackline, auf der ich ab und an mal trainieren gehe. Also wenn das Wetter
wirklich allzu grausig ist, dann bleibe ich schon ganz gerne auch mal
drin. Da kann man super irgendwie Handstand üben. Ich bin gerade
dabei, den Handstand auf der Slackline zu perfektionieren und das ist zum
Beispiel etwas, was ich im Keller bei mir ganz gut üben kann. Und
da ist zum Beispiel genau sowas, was ich mal als Zwischensession noch
mit reinschiebe in den Tag, weil das mache ich dann einfach in einer Stunde oder
eineinhalb und dann kann man das da zwischendrin auch nochmal machen.
Wir kommen dann gleich noch auf das Thema, weil das ist für mich noch nicht so
greifbar. Wenn ich im Keller übe und einen halben Meter unter
mir habe, ist ja noch mal was anderes, als wenn ich ein paar hundert Meter
felsigen Abgrund habe. Was der Kopf,
also was es mit dem Kopf macht, da kommen wir dann gleich noch
mal drauf. Vorher würde mich noch mal
interessieren, braucht es aus deiner Sicht ein
spezielles Talent zum Slacklinen oder hätte jede und
jeder grundsätzlich mal die Chance, das auch auf einem gewissen
Level zu machen?
Ja, ich glaube, als Hobbysport kann das wirklich jeder lernen
und im Park zwischen Bäumen kann es auch wirklich jeder mal probieren.
Also ich glaube, da gibt es keine Voraussetzungen, die gegeben sind.
Also ich hatte auch vor kurzem jemanden, der hat nur ein Bein und
der hat mich angeschrieben und gefragt, ob man mit einem Bein vielleicht auch
Slacklinen könnte. Da habe ich gesagt, ich habe es jetzt noch nicht ausprobiert. Ich habe
zwei zum Glück, aber ich kann mir gut vorstellen, dass man da einen
Weg findet. Und hat es geklappt? Ja, wir haben es noch nicht
Ich habe es noch nicht probiert. Das muss ich noch vorweg nehmen. Aber wir werden
es sicherlich probieren. Und ich glaube, wenn jemand die Motivation
hat, dann kann er es auch auf jeden Fall in irgendeiner Form schaffen.
Ich glaube, das ist wie bei allen Dingen im Leben. Man muss es halt wirklich
wollen. Dann findet man den Weg.
Slacklinen, damit assoziieren die
meisten diese eher über den Boden gespannten
Seile, und Highlinen ist dann eben, glaube ich, das, was man wirklich
in größerer Höhe macht, oder? Der Drink ist gut.
Schmeckt auf jeden Fall. Genau, Highlinen ist dann
irgendwie im Gebirge und so weiter. Wie können wir uns
das vorstellen? Wie viele solcher Highlines machst du denn
pro Jahr und wie wählst du die aus?
Ja, also das Highlinen ist auf jeden Fall was Spezielles, weil es eigentlich
immer in der Regel mit relativ viel Aufwand einhergeht. Also
es ist eben nicht so, dass ich da jetzt allein losziehe und dann mal kurz irgendwie in einer
halben Stunde meine Slackline spannen, sondern das ist meistens schon so, dass man Leute dafür
braucht, mit denen man gemeinsam losgeht. Man muss
natürlich dann auch das richtige Equipment dabei haben, man muss erstmal auf den Berg
raufsteigen. Also das ist im besten Fall
eine Tagesaktion, manchmal auch eine Mehrtagesaktion
für eine Highline. Deswegen ist es in der Regel jetzt auch nicht so, dass man da jeden
Tag eben Highlinen geht. Aber bei mir ist es
schon so, dass ich aktuell wahrscheinlich so
ja ich würde sagen schon im
Schnitt jede Woche eine Highline mache. Also so
50 Highlines im Jahr müssten schon drin
sein. Ich habe aber auch mal Zeiten gehabt, wo ich so Highline-Festivals und so
auch noch mehr besucht habe. Also wo dann viele Slackliner zusammenkommen und
eine Vielzahl von Lines aufbaut. Da habe ich auch schon über 100 Highlines im
Jahr gemacht.
Das kommt immer drauf an, aber ich glaube inzwischen ist es eher so, dass ich
bei Qualität angekommen bin als bei Quantität. Also ich mache
lieber weniger, aber dafür anspruchsvollere
und auch schönere Highlines und genieße.
Dann jede einzeln
sozusagen.
Du wirst ein paar besondere Highlines haben, die dir vielleicht sofort
einfallen, wenn du so zurückdenkst. Und du hast ja auch im
Laufe deiner Karriere den einen oder anderen Weltrekord aufgestellt.
Welcher deiner Rekorde liegt dir denn persönlich am meisten am
Herzen oder kommt dir auch zuerst in den Sinn?
Wenn es um Rekorde geht, dann ist schon der Weltrekord über die
längste Highline, die wir 2021
gemacht haben, schon mit für mich der wichtigste
gewesen. Da haben wir eine 2,1 Kilometer lange Slackline in
Nordschweden laufen können. Und das war halt wirklich auch eine
Highline, die einfach gigantisch war. Also nicht nur, dass sie so lang war,
sondern die war auch 600 Meter hoch zwischen zwei Berggipfeln
in einer eigentlich verhältnismäßig flachen Umgebung sonst. Also man
war auf weiter Flur sozusagen der höchste
Punkt. Und das war schon wirklich was ganz Besonderes.
Auch noch in dieser nordschwedischen Landschaft dort, wo wirklich
einfach keine Straßen, keine Häuser, keine Zivilisation sichtbar
sind. Auf so einer Line unterwegs zu sein mit so viel Luft um sich
herum, das ist auf jeden Fall in Erinnerung geblieben.
2,1 Kilometer, da ist man ja auch eine Zeit
unterwegs.
Wie lange dauert das?
Man hat eine Zeit, um das zu genießen, auf jeden Fall. Es ist nicht
gleich vorbei. Also bei mir waren das so ein bisschen mehr als 70
Minuten. Also eine Stunde und zehn Minuten. Da war ich aber auch
noch eigentlich der Schnellste dabei. Also das kann schon auch bei anderen
Leuten mal bis zu drei Stunden dauern. Weil im Grunde genommen muss
man sich vorstellen, man macht immer nur so 30 Zentimeter Schritte. Das
heißt, selbst wenn man einigermaßen zügig
geht, braucht man da für jeden Meter schon ein paar
Sekunden. Und zwischendrin muss man natürlich ab und an auch mal
stehen bleiben, um halt irgendwie schwierige Situationen auszubalancieren.
Und da ist man mit 70 Minuten dann eigentlich schon
relativ flott.
Ja, klingt zügig. Vielleicht nochmal für diejenigen, die
uns jetzt zuhören und nicht zuschauen und auch das
Material nicht sehen. Du bist natürlich gesichert, das
ist klar. Das heißt, es kann jetzt in dem Sinne erstmal
nichts passieren. Das ist natürlich trotzdem vermutlich eine gewisse
Überwindung, kommen wir dann gleich noch drauf. Jetzt hast du die 2,1
Kilometer schon angesprochen. Ich hatte in deiner Vorstellung auch schon
gesagt, du hast mal einen Rekord aufgestellt mit
verbundenen Augen, richtig? In Russland, glaube
ich.
Genau, das war eine knapp einen Kilometer lange Slackline und das war
eine ziemlich verrückte Geschichte, weil wir dort eigentlich nur waren, um zu
trainieren für eben eine von diesen zwei
Kilometer Lines, die dann noch in der Folge kamen.
Und wir haben aber, also Friedrich Kühne und ich, mit dem
ich dort war, und noch vielen anderen, aber wir zwei waren so die
Hauptathleten, die das probieren wollten. Und wir haben halt diese
Line am ersten Tag halt direkt beim ersten Versuch geschafft. Und
dann haben wir uns so gedacht, wow.
Mit verbundenen Augen?
Nee, also ganz normal. Mit sehendem Auge. Dann
muss das schwerer werden. Aber das war für uns natürlich schon eigentlich das
Hauptziel dieses Trips, diese Line überhaupt zu laufen. Und dann haben wir uns gedacht,
wow, jetzt haben wir noch sechs weitere Tage zur Verfügung. Was machen wir denn
jetzt noch?
Klar, machen wir doch mit verbundenen Augen.
Und dann hat der Friedi gesagt, lass mal blind probieren.
Dann habe ich gesagt, du spinnst ja. Das macht ja keinen
Sinn. Unsere längste Leine, die wir davor blind gemacht haben,
die war irgendwie so 200 Meter oder so. Also schon wirklich
erheblich kürzer. Und normalerweise ist es beim Slacklinen halt schon so,
dass je länger die Lines werden, desto
schwieriger wird es auch. Weil die Leine kann weiter zur Seite
schwingen. Man hat einfach auch eine weitere Strecke natürlich zu laufen
und die Schwierigkeit wird schon höher. Man ist auch weiter
mehr ausgesetzt für Wind und andere Faktoren. Und deswegen ist es jetzt
nicht irgendwie so, dass man, wenn man 200 Meter laufen kann, dann
auch sagen kann, ja gut, fünfmal so lang geht schon.
Und deswegen war das schon ein bisschen verrückt, aber wir haben es dann probiert
und beim ersten Versuch ist der Friedi dann schon bis zur
Mitte gekommen und dann war ich eigentlich schon ziemlich inspiriert,
das selber zu versuchen und dann ehrlich gesagt auch ganz schön
überrascht, als es dann wirklich geklappt hat.
Und ist das mit verbundenen Augen anspruchsvoller
für den Kopf oder sogar einfacher, weil man ja nichts sieht?
Naja, man könnte jetzt meinen, ich habe so viel Angst vor diesem
Abgrund gehabt, dass ich mir da lieber mal die Augen verbunden habe, aber
es ist eher andersrum. Also ich finde es tatsächlich fast gruseliger, nichts
zu sehen, weil man halt einfach irgendwie so ein
bisschen in dieser Dunkelheit da so vor sich
hin tappt, kann man ja wirklich sagen. Und das andere ist halt, es ist
einfach wirklich auch physisch viel, viel schwieriger, weil man natürlich für
die Balance einfach Referenz braucht. Da gibt es im
Prinzip natürlich die Referenz, die einem die Muskulatur, der
Körper über das Lagebewusstsein und so
gibt, aber halt eine große Referenz fürs
Balancieren kommt halt schon aus dieser visuellen
Umgebung sozusagen und wie sich das bewegt, wie sich auch die Leine
im Wind bewegt und all das hast du dann halt nicht mehr. Und dann
musst du dich halt komplett aufs Gefühl verlassen.
Und einfach absolut sicher sein, dass der
Fuß auch ohne sozusagen die Leine zu sehen, dann auch den
nächsten Schritt findet. Und das war am Anfang schon erstmal ziemlich
komisch.
Ja, das glaube ich. Jetzt haben wir
verbundene Augen. Zwei Kilometer
Highline. Hast du noch ähnlich spektakuläre
Dinge? Die waren jetzt alle relativ lang. Was
hast du noch so im Repertoire an spektakulären Highlines?
Ja, also eine der schönsten Highlines, wo ich je war und wo
ich tatsächlich dieses Jahr auch nochmal hin durfte, was ich nie erwartet hätte
in meinem Leben, ist eine Highline über die
Victoria-Wasserfälle. Das sind die breitesten
Wasserfälle der Erde und wir haben da über die Schlucht
eine 100 Meter lange Slackline spannen dürfen, schon
2014. Und das war damals ein absolutes Highlight
für mich. Ein unfassbar schöner Wasserfall. Man hat vor allem
auch durch das, dass da so eine große Spraywolke
ist, die Gelegenheit, wenn man mitten über dieser Schlucht
steht, kann man sozusagen einen kreisrunden Regenbogen in dieser
Schlucht sehen. Von
der Seite sieht man zwar von überall mal einen Regenbogen, aber
diesen kreisrunden geschlossenen Regenbogen, den siehst du natürlich nur von der
Luft aus oder halt von der Slackline direkt über dem Canyon
schwebend. Und das war schon Wahnsinn, also so
mit einem 100 Meter Radius, so ein geschlossener
Regenbogen unter einem, also sowas habe ich halt noch nie
erlebt. Und das ist auf jeden Fall sehr stark in meinem
Gedächtnis geblieben und dieses Jahr durfte ich jetzt zum Glück für eine
Fernsehsendung da nochmal hin und die Leinen nochmal spannen und das
war natürlich schon Wahnsinn.
Okay, ja. Jetzt bei allem, was du
so geschildert hast, ging ja alles ziemlich gut, easy und
mit verbundenen Augen und so weiter. Was waren denn
so die extremeren Erlebnisse, die du vielleicht auch mal
hattest auf einer Highline? Geht ja wahrscheinlich nicht immer alles gut, oder?
Nee, überhaupt nicht. Also das ist eigentlich immer so ein bisschen wie auf Social
Media auch. Man sieht immer so die Highlights und die 100 Mal, wo
es nicht geklappt hat, die werden dann unter den Teppich gekehrt.
Also ich bin jetzt nicht so, dass ich mein Scheitern nicht auch
zeigen würde, aber es ist halt einfach oft so, dass man natürlich dann den
Erfolg halt umso mehr feiert, weil man es persönlich natürlich
auch einfach wertschätzt. Aber es ist eigentlich bei jedem von
diesen Projekten so, dass wir da mindestens ein bis viele Male
davor gescheitert sind. Und ich glaube, es gibt kein besseres
Beispiel als den Luke Skywalker Trick, den du vorher schon angesprochen
hast, wo ich ja wirklich hunderte Male einen Trick versucht habe
und es nicht geschafft habe. und irgendwann dann halt
doch einmal hinbekommen habe. Und ich glaube, das ist das Wichtigste, dass man
halt einfach wirklich immer weitermacht, wenn man diese Idee wirklich
glaubt und einfach nicht aufgibt, egal wie oft es
erstmal nicht klappt. Weil das Wenigste im Leben klappt beim ersten Mal.
Ja klar, jetzt hast du es angesprochen.
Dann müssen wir es auch auflösen.
Luke Skywalker Trick, das klingt natürlich schon irgendwie interessant.
Es galt jahrzehntelang als nicht machbar, habe ich gehört. Du
warst der Erste, der es geschafft hat. Erklär doch mal
unseren Zuhörenden und -schauenden, was sich dahinter verbirgt.
Ja, es ist eigentlich eine relativ simple Idee, könnte
man meinen. Also wenn man auf so einer Highline läuft, ist man ja
gesichert. Man hat ein kurzes Stück Seil, das einen mit der Slackline
verbindet. Und zu Beginn einer jeden Highline-Karriere wird
man da sehr oft runterfallen und sehr oft sich in dieser Sicherung
wiederfinden. Es ist natürlich ein extrem
unangenehmes Gefühl, weil es ein Absturz ist, der dann zwar schon gebremst wird
natürlich von dem Seil und der nicht fatal ist, aber der
erstens physisch nicht ganz angenehm ist, aber vor allem auch
mental einfach natürlich ein Kontrollverlust ist. Also ein
Scheitern natürlich auch ist, weil du willst ja eigentlich laufen, balancieren, nicht
fallen. Und für mich war das einfach immer ein negatives Erlebnis, aus
dem ich irgendwie von Anfang an gern was Positives hätte
wandeln wollen. Dann habe ich mir irgendwann gedacht, wie cool das wäre, wenn man
mal absichtlich in diese Sicherung reinspringen würde. Und mein
Gedanke war dann eben, dass man an diesem Seil einmal um die Slackline
rumschwingen quasi könnte und dann am Schluss wieder oben auf der
Slackline landen. Und so dann quasi diesen
Absturz in eigentlich einen Trick verwandeln. Und den
Gedanken, den hatte natürlich vor mir auch schon ein paar andere Slackliner
und die haben das dann auch alle probiert über eben etliche Jahre
hinweg immer mal wieder und alle sind so zum selben Schluss gekommen, dass
es eigentlich nicht funktioniert. Ich habe das dann
auch 2009 mal angefangen zu probieren und eigentlich auch
recht schnell wieder sein lassen, um dann 2013
irgendwann doch nochmal zu der Idee
zurückzukommen und es dann nochmal ernsthaft zu
verfolgen. Und da war dann wirklich so der Schlüssel zum Erfolg
für mich, eigentlich was anders zu machen als
vorher. Und zwar ist es halt immer so, wenn du das Gleiche
machst und ein anderes Resultat erwartest, das
wird nicht passieren. Also du musst schon irgendwas an deiner
Strategie, an deinem Herangehen oder an der Aktion ändern,
wenn du ein anderes Ergebnis haben möchtest. Und das war für mich
halt nicht nur so hart zu springen, wie ich kann, sondern
tatsächlich im Flug irgendwann auch in das Seil reinzugreifen, das
mich da quasi an der Slackline hält und mich ranzuziehen.
Und das war eigentlich so der Schlüssel zum Erfolg. Das war so der Moment, wo ich die
Chance hatte, wieder mit den Füßen auf die Leine zu kommen. Und dann war es
echt nur noch eine Frage der Zeit, bis es dann irgendwann mal geklappt hat.
Und wie viele Versuche hat es dann noch gebraucht?
Also als ich diese Idee hatte und dann schlussendlich eigentlich recht
überzeugt war, dass es damit klappen kann, waren es glaube ich immer noch 300, 400 Versuche.
Und am Schluss waren wirklich viele dabei, wo ich dann auf der Slackline
gelandet bin, dann irgendwie zwei Schritte gelaufen, dann noch umgefallen
bin oder irgendwie wirklich im letzten Moment abgerutscht bin. Also es
war wirklich viele Male sehr knapp. Und meistens, wenn
es sehr knapp war, auch sehr, sehr schmerzhaft, weil man dann nämlich meistens ziemlich hart
auf der Slackline aufgeschlagen ist.
Und ich war dann echt grün und blau nach den Versuchen und brauchte
echt eine ganze Woche Pause. Aber als
ich es dann eine Woche später nochmal versucht habe, hat es dann beim achten Versuch
tatsächlich hingehauen. Und da konnte ich selber erst noch fast gar nicht
glauben.
Ja, das muss ein unglaubliches Gefühl sein.
Diejenigen, die uns zuhören, ich kann nur empfehlen, mal
in unser Video hier reinzuschauen auf YouTube, weil es lohnt
sich. Es ist spektakulär, diesen Luke Skywalker Trick einfach
mal zu sehen. Und Lukas war der Erste, der ihn geschafft
hat. Woher kommt denn der Name Luke Skywalker?
Ja, das ist noch so eine lustige Geschichte eigentlich, weil
jetzt könnte man natürlich meinen, ja klar, jetzt hat er den nach sich selbst benannt,
aber der Trick hieß halt lustigerweise schon vorher in
der Szene irgendwie der Luke Skywalker. Das kam so ein bisschen
aus dem Star Wars Fetischismus, den so
die ein oder anderen Slackliner so haben. Und zwar, da gibt es so
eine Szene, wo Luke Skywalker an einer Hand hängt
und sich dann wieder nach oben katapultiert
und das Match mit Darth Vader dreht, so dieses
Comeback schlechthin, oder? Und irgendwie hat man sich in der
Slackline-Szene gedacht, naja, der Trick ist ja auch quasi ein komplettes
Comeback vom Scheitern und der muss Luke Skywalker heißen.
Und umso lustiger war es dann doch irgendwie, dass ich dann tatsächlich
der Erste war, der diesen Trick geschafft hat.
Und dann war natürlich klar, dass der Name bleibt.
Ja, spannend. Und was ich auch interessant fand,
nach dir haben ihn jetzt auch schon andere geschafft. Also die
Frage, braucht es immer einen, der es einmal zeigt, dass es
möglich ist?
Absolut. Ich glaube, nichts hat mir das so stark
gezeigt wie dieser Trick, weil der war wirklich für mehr als
15 Jahre in der Slackline-Szene immer mal wieder diskutiert worden, von
vielen Leuten probiert worden, aber keiner hat es irgendwie hingekriegt.
Und nachdem ich es dann geschafft habe, hat es eine Woche gedauert, also bis zum nächsten
Wochenende. Und dann haben das zwei von meinen Kollegen an nur einem Tag
wiederholt. Die haben weniger als 50 Versuche gebraucht an dem
Tag und haben das halt hinterher gemacht. Und dann kamen in
den nächsten Monaten noch ein knappes Dutzend an Leuten
überall auf der Welt hinterher, die das dann auch machen
konnten, die dann teilweise noch einfach eine
360-Grad-Drehung eingebaut haben oder irgendwie einen zweiten hinterher gemacht
haben. Also richtig krass, das einfach noch gesteigert haben eigentlich.
Und das zeigt halt einfach so krass, was es ändert, wenn du vom
Mindset her einfach denkst oder weißt, ist es
möglich gegenüber demjenigen, der halt quasi
das als Erster macht und wo halt alle sagen außenrum, naja,
lass es sein, das bringt nichts.
Ja, tolle Geschichte.
Lukas, jetzt haben wir über ein paar Erfolge
gesprochen, Rekorde und so weiter. Was ist denn
für dich persönlich Erfolg?
Also Erfolg ist mal, ich glaube, im
allerersten Moment auf jeden Fall das, wenn ich gesund wieder
zurückkomme. Also gerade wenn man am Berg ist, ist, glaube ich,
jedem sehr schnell bewusst, dass der Gipfel immer nur die halbe Strecke ist.
Also wenn man ganz oben ankommt, dann hat man eigentlich noch gar nichts
geschafft. Man hat es erst geschafft, wenn man wieder wohlbehalten zu Hause
ist. Und ich glaube, für mich ist halt
Erfolg vor allem oder muss Erfolg vor allem was Nachhaltiges sein.
Und dazu zählt halt vor allem auch zu wissen, wann man halt auch
mal umdrehen muss oder wann man halt einfach auch mal sagen
muss, hey, das das ist nichts für mich. Das passt
nicht. Weil ich glaube, wenn jemand keine Mäßigung kennt,
dann wird er das auch nicht allzu lange machen.
Das heißt, Scheitern und Erfolg, das ist auch irgendwie
nah beieinander?
Für dich?
Für mich absolut. Weil eigentlich ist es natürlich so, dass
man den Erfolg will und dass man will, dass das Projekt genau so
ausgeht, wie man es möchte. Auf der anderen Seite entsteht
oft der Wert von so einem Projekt auch persönlich erst dadurch,
dass man ein paar Mal auf die Schnauze fällt. ... Dass man dann am Ende des
Tages auch tatsächlich sagt, ... ... hey, ich habe jetzt aus dem auf die Schnauze fallen ... ...
tatsächlich auch was gelernt. Und bin jetzt nicht einfach nur
hingelaufen, ... ... habe es gesehen, habe es gemacht, ... ... bin wieder nach Hause
gegangen. Dann sage ich, ja cool, ... ... haben wir eine krasse Sache gemacht, ... ...
aber irgendwie ist es für mich jetzt gar nicht so erfüllend.
Erfüllend ist es eigentlich immer erst dann, ... ... wenn ich so einen gewissen Widerstand überwinden muss.
Und dazu gehört halt auch das Scheitern ... ... einfach ganz integral
dazu. Und ich
glaube, wenn es nicht schwierig wäre, ...
... dann wäre es auch nichts wert.
Ja.
Stichwort schwierig. Was ich einfach super spannend
finde, ist, dass du früher zumindest Höhenangst
hattest. So habe ich das zumindest gehört.
Jetzt würde ich von jemandem mit Höhenangst so ziemlich als allerletztes
erwarten, dass er anfängt, Seile im Gebirge zu
spannen und darüber zu laufen. Kannst du
dich an den Moment erinnern, in dem du beschlossen
hast, diese Angst zu überwinden?
Ja, also es ist jetzt nicht die beste Voraussetzung. Das habe ich mir damals
auch gedacht. Und das war wirklich krass. Also
ich habe eigentlich nicht wirklich Höhenangst gehabt. Bei
irgendwie anderen Sachen davor, beim Klettern, alles okay gewesen
immer. Auch in höheren Wänden fand ich das eigentlich nicht so
schlimm. Aber als ich das erste Mal auf so einer Slackline saß, habe ich wirklich
so lähmende Panik erlebt. Oder wirklich dieses Gefühl, wo du nicht
mehr weißt, wie du aufstehst, wie du hier runterkommst, was du
eigentlich hier machst. So diese komplette Leere im Kopf
aufgrund von Panik mit einfach nur noch festhalten und weg wollen.
Und am Anfang war das eigentlich schon
so natürlich ein Gedanke, wo ich mir gedacht habe, wow, vielleicht ist das nichts
für mich. Aber gleichzeitig war halt so diese Idee
schon in meinem Kopf, dass ich mir gedacht habe, also das schaut so cool
aus, ich möchte das auch machen. Und die ersten
Jahre, muss ich sagen, wo ich das immer wieder probiert habe
trotzdem, da habe ich mir nie vorstellen
können, dass ich mal auf so einer Highline quasi während ich drauf
bin Spaß habe. Da war eigentlich das absolute Ziel, irgendwann
mal auf der anderen Seite anzukommen. Und
das Glück bestand quasi darin, es geschafft zu
haben. Aber das auf der Slackline
sein, war eigentlich die Hölle.
Jahre lang?
Ja, es war wirklich lang. Ich würde schon sagen, die ersten ein bis
zwei Jahre habe ich wirklich gebraucht,
um mich da dran
zu tasten. Ich habe auch wirklich lange gebraucht, um ehrlich zu sein, um die erste Highline zu
laufen. Das hat sicherlich ein dreiviertel Jahr oder
fast ein Jahr gedauert, bis ich dann überhaupt mal auf einer Line
gelaufen bin, die hoch war. Und in den
ersten wirklich mehreren Jahren konnte ich mir eigentlich nie vorstellen, dass
das mal Spaß macht, während ich es mache. Das war
wirklich so ein Type 2 Fun. Du warst glücklich,
wenn es fertig war. Inzwischen kann ich halt sagen, habe
ich aus dieser Sache, die mir so viel Panik verursacht hat, eigentlich
was gemacht, was ich einfach liebe wie nichts
anderes. Und das ist schon verrückt, finde ich, wie stark
man seine Prägung auch ändern kann. Von was
einem Riesenangst einjagt, zu was einem Glücksgefühle
bringt.
Also inzwischen kannst du es genießen, wenn du oben stehst?
Absolut, ja, und das tue ich auch. Also ich stelle mich auch oft
seitlich auf die Slackline, um da die Aussicht quasi 180
Grad genießen zu können und auch mal wirklich runter zu schauen,
meine Füße zu sehen, wie sie da auf dem zweieinhalb Zentimeter breiten
Band über dem riesen Abgrund stehen und einfach zu
genießen, wie absurd es halt einfach auch eigentlich ist, dass
man genau an diesem Ort halt stehen kann und die Aussicht genießen.
Jetzt hat jede und jeder von uns ja immer wieder kleinere und
größere Ängste. Das muss jetzt nicht Höhenangst sein. Das kann ja alles
Mögliche sein. Was würdest du denn sagen oder
was würdest du vielleicht auch empfehlen aus deiner Erfahrung heraus? Was ist so
der erste Schritt, um sich seinen Ängsten zu stellen?
Also ich glaube, der allererste Schritt ist mal, sich der Angst bewusst zu sein, oder? Also es
ist halt oft ja auch so, dass wir irgendwie Verhalten an den Tag
legen, wo wir gar nicht so genau erklären können, warum wir das machen. Und oft
steckt dann halt tatsächlich irgendwie die Angst dahinter, der wir eigentlich
permanent ausweichen. Und ich glaube, in dem Moment, wo einem schon mal klar
ist, hey, ich habe Angst vor dem und dem. Ich
habe Angst vor dem Fliegen. Ich habe Angst vor Spinnen, vor Spritzen oder was
auch immer es noch ist. Ich glaube, dann ist der wichtigste Schritt, sich einfach
mal zu überlegen, was ist denn eigentlich die Konsequenz? Also was ist denn eigentlich
das Schlimmste, was passieren kann? Und das war beim Highline bei mir
genauso. Ich habe mir gedacht, warum habe ich denn da eigentlich so viel Angst?
Und war klar, die Antwort war einfach, wenn ich da den Abgrund runterfalle,
bin ich tot. Und das macht ja Sinn, dass ich davor Angst
habe. Aber ich habe halt auch ein Klettergurt an, ich
bin mit einem Seil eingehängt, ich kann eigentlich gar nicht abstürzen.
Also das, wovor ich eigentlich so viel Angst habe, das kann ja
eigentlich gar nicht passieren. Und die meisten
Ängste sind eigentlich genau so, also dass die eigentlich keinen wirklich
rationalen Hintergrund haben, sondern dass die eigentlich in unserem Kopf stattfinden.
Und gerade bei solchen Ängsten gibt es eigentlich keinen
Grund, nicht sozusagen doch einen Schritt weiter zu gehen und sich
nicht doch mal zu trauen, sich der Angst einfach zu stellen,
einfach mal in diese Situation reinzugehen. Und meistens kommen
wir dann aus sowas heraus und denken uns ja, so schlimm war es ja gar
nicht. Und fühlen uns halt auch bestärkt darin, dass wir
es das nächste Mal vielleicht noch ein Stückchen weiter schaffen können. Und
ich glaube, das ist eigentlich das Wichtigste, dass man dann einfach nicht mehr außenrum
läuft, dem Ganzen nicht ausweicht, sondern einfach wirklich
sehenden Auges einfach voll reingeht und das
halt in konzentriertem Maße sozusagen einfach
mal zulässt.
Ja, finde ich auf jeden Fall einen guten Rat,
sozusagen sich mal zu überlegen, was ist denn das Schlimmste, was passieren kann, weil
wahrscheinlich ist schon das gar nicht so schlimm, weil man sich dann mal so ein bisschen
vorstellt oder visualisiert.
Ja, es ist auch wichtig, oder? Weil ich meine, wenn ich mir jetzt überlege, ich
würde ohne Sicherung Highline gehen wollen, oder?
Dann würde ich halt nach dem Gedanken, was das Schlimmste, was
passieren kann, zu dem Schluss kommen, ja, ich könnte da runterfallen und tot
sein. Und dann macht es schon Sinn, mir zu überlegen, hey,
vielleicht ist die Angst dann auch sinnvoll und vielleicht sollte ich es dann einfach auch nicht
machen. Aber wenn ich halt zu dem Schluss komme,
dass eigentlich das Schlimmste, was passieren kann, jetzt nicht
mein Ende ist oder nicht wirklich so dramatisch ist,
dann ist es ja wirklich nur unser Mindset, nur unser Kopf, der uns
eigentlich zurückhält. Und ich finde, das sollte kein Grund sein,
um nicht seine Träume anzugehen.
Ja, das ist ein schöner Satz.
Jetzt bei dir läuft der Kopf ja zwangsläufig mit, also nicht nur
physisch, sondern kann man ja nicht ausschalten. Dann da oben gibt es
für dich heute noch Momente, in denen die Angst irgendwie
zurückkehrt?
Ja, voll. Also ich habe vor allem immer wieder, wenn ich neue Tricks auch
versuche, da bringe ich mich ja oft in Positionen,
die ich nicht gewohnt bin oder in
Bewegungen, die ich noch nicht kenne. Und das ist halt wieder was Neues.
Und dann ist natürlich schon wieder Angst dabei. Also oft auch einfach die Angst,
mich zu verletzen, natürlich auch. Oder die Angst zu scheitern
bei langen Slacklines. Aber halt ab und an auch wirklich wieder
diese Höhenangst, wenn halt die Leine wirklich krass hoch ist
oder wenn ich was Verrücktes versuche. Ich habe zum Beispiel
Das liegt jetzt auch schon wieder ein paar Jahre zurück, aber als ich angefangen
habe, Handstand auf der Slackline zu machen, habe ich dann natürlich auch diesen Wunsch
gehabt, diesen Handstand auf höheren Slacklines zu machen und die erste
wirklich krasse Highline, wo ich das dann mal probiert habe, war
oberhalb der Eiger-Nordwand. Also ich meine, das ist halt schon eine krasse
Wand. Wenn man da so einen Handstand drauf macht, dann
schaust du halt gerade nach unten. Also du schaust auf die Leine
zwischen deine Hände, aber du schaust halt vor allem auch straight in den Abgrund
rein. Und das war was, wo ich selber
wieder gemerkt habe, okay, ich kann auf diesem Ding
laufen, ich kann in der Umgebung rumschauen, es macht mir alles nichts
aus. Aber in dem Moment, wo ich hier komplett gerade runter
schaue und was probiere, was wirklich schwer ist für mich,
ist die Angst genauso wieder zurück wie am Anfang. Und dann habe ich
auf einmal wieder gemerkt, wie krass das halt doch noch da ist.
Einfach nur, weil ich meine Position geändert habe, oder? Und
der einzige große Unterschied war, ich wusste halt, wie ich damit
umgehe. Weil ich den Prozess schon mal gemacht habe.
Ja. Also gehört, Angst gehört
dazu irgendwie. Jetzt, was ich mich gefragt habe,
als ich auch Videos jetzt von dir gesehen habe, also ganz
persönlich neben der Höhe und so weiter, hätte ich ja auch immer so ein
bisschen so die Angst ums Material. Also kann so ein Seil
reißen? Kann sowas sich mal aus einem Fels rausreißen?
Ja, das hört sich immer so sicher an, wenn ich jetzt sage, ich bin ja immer
eingehängt, immer gesichert. Und das ist aber halt immer nur die halbe
Wahrheit, weil am Ende des Tages bin ich halt in dieses System eingehängt, wie
du gerade sagst. Und das System, also die Highline, die muss sicher
verankert sein. Und wenn jetzt zum Beispiel eben, wie du sagst, die eine Seite
komplett ausbricht oder das Band reißt, dann hilft mir
die Sicherung herzlich wenig. Und das ist natürlich
schon ein wichtiger Punkt bei dem Ganzen. Und
da ist es halt bei uns so, dass wir eigentlich von Anfang an
auf Redundanz gesetzt haben. Also sprich, es ist eigentlich bei unserem
System so, dass eigentlich kein einzelnes Teil
sozusagen überlebensnotwendig ist. Also jedes
einzelne Teil darf versagen. Und wir haben eigentlich für alles
sozusagen ein zweites Objekt darunter. Also bei einer
Slackline zum Beispiel so, da ist noch ein zweites Seil oder eine
zweite Slackline unterhalb, die manchmal auch so in lockeren
Schlaufen darunter hängt, damit sie eben auch nicht so schnittanfällig ist wie ein
gespanntes Band. Und auch bei den Ankerpunkten am Rand ist es so,
dass man sich in der Regel nicht auf einen Punkt verlässt, sondern dass
man entweder mehrere Bäume zum Beispiel benutzt, mehrere
Felsen benutzt oder mehrere Bohrhaken ausgleicht und da
eigentlich immer sozusagen ein System herstellt, das auf
mehreren verschiedenen Punkten basiert, um so halt eigentlich auch
sozusagen einzelnen
Versagensquellen dann vorzubeugen.
100% Sicherheit gibt es nie im
Leben. Das heißt, im Schluss ist es immer eine
Abwägung.
Ja, klar. Aber so ein Grundvertrauen ins Material, das gehört
dazu.
Ja, das muss man sich auch erarbeiten am Anfang. Also ganz ehrlich zu sein,
die ersten Male, wo ich in die Sicherung reingefallen bin, da hatte ich immer mitm Leben abgeschlossen.
Also da war für mich der Moment, wo ich unten da noch
drin hing, da war ich immer so, krass, du bist noch da. Also das
ging nicht in meinen Kopf rein. Ich wusste natürlich schon, ich bin gesichert
und da kann theoretisch nichts passieren, aber angefühlt hat sich das
halt anders. Und das ist schon auch was, wie bei allen
Dingen, du musst einfach durch das, dass du die Erfahrung machst,
dass es gut geht, einfach auch natürlich
dieses Vertrauen begründen und beschaffen. Und es war
natürlich auch so, dass ich nicht nur dem Material vertrauen musste, sondern natürlich auch den Leuten, mit
denen ich unterwegs bin. Weil man hat zwei Seiten, wo man die
Slackline aufbaut. Meistens kann man sich die andere Seite, wo man nicht ist,
nicht vorher anschauen. Das heißt, man läuft dann über die Slackline in
dem Vertrauen, dass die anderen da wohl alles richtig gemacht haben.
Und das ist auch nicht ganz so einfach manchmal.
Ja, das glaube ich. Machst du
heutzutage mentales Training oder ist das
Slacklinen an sich mentales Training?
Ja, also für mich ist das Slacklinen tatsächlich eine sehr
intensive Form der Meditation eigentlich. Also gerade das Laufen auf
längeren Slacklines ist ein extremes Flow-Erlebnis, ist eine
extreme Form von Meditation eigentlich,
weil der Idealzustand ist, dass mein Körper
sozusagen völlig autonom
slacklined. Also völlig außenum ausgegleicht und
ich eigentlich nicht eingreife. Ich aber auch nichts
denke, was meinen Körper sozusagen in dem
Tun beeinträchtigt. Das heißt, im Idealfall
denke ich nichts. Das ist natürlich eigentlich genau das,
was man in der Meditation ja auch erreichen
will, was natürlich in der Realität
immer nur bedingt funktioniert. Ich glaube, jeder weiß, der mal
meditieren versucht hat, klar, es ist eine Trainingsfrage auch,
aber es ist immer schwierig und es ist vor allem auch schwer über
einen langen Zeitraum diesen Fokus aufrechtzuerhalten. Das ist, glaube ich,
beim Slacklinen auch das, was ich gelernt habe. Es geht gar nicht darum,
sozusagen 100% perfekt zu sein, sondern es geht darum, in 100%
der Fällen wieder zurückzukommen. Also wenn du einen komischen
Gedanken hast, dann hast du den schon. Und dann musst
du einfach als nächstes wieder sozusagen zurück in deinen Fokus finden. Und dass
du da zwischendrin entgleist, ist völlig normal. Ich
glaube, wie das geht, ist eigentlich zum einen relativ
einfach. Und zwar geht es immer darum, dass du meistens hat man ja negative
Gedanken, die einen da so durchbrechen. Und für mich ist das
Entscheidende, dass ich dann zuerst mal sozusagen einen positiven Gedanken dagegen
setze. Also wenn ich in dem Moment, meistens kommt ja so ein Gedanke bei
mir wie, jetzt ist gerade mehr Wind gekommen, jetzt wird es gerade
schwieriger, hoffentlich trete ich nicht daneben.
Dann denke ich ja natürlich ans Abstürzen, oder? Und dann versuche ich als
nächstes sozusagen den positiven Gedanken dagegen zu setzen, dass ich mir denke,
hey, du konzentrierst dich jetzt einfach auf den nächsten Schritt und konzentrierst
dich darauf, den perfekt zu machen. Und ich konzentriere mich quasi wieder auf was,
was ich tun kann und was einen positiven Ausgang hat.
Und wenn ich dann den nächsten Schritt wieder gemacht habe, dann bin ich hoffentlich sozusagen wieder
zurück in diesem gedankenlosen Tun und kann einfach
weitergehen und der Kopf wird langsam wieder leer oder zumindest
mit positiven Gedanken gefüllt.
Ja, also etwas, was du tun kannst, heißt ja auch etwas, was, sag
ich mal, deiner Kontrolle unterliegt.
Genau. Also, was mich wieder zurückbringt. Und da
ist tatsächlich auch eines der besten Tools die
Atmung. Das ist ja eigentlich auch bei der Meditation oder auch beim
Yoga essentiell. Und Atmung ist halt im Grunde genommen einfach
immer so der Connect zwischen unserem Kopf und unserem
Körper, oder? Das ist was, was wir steuern können, aber es ist eigentlich ein
vegetatives Nervensystem. Also es ist eigentlich was, was permanent
passiert, aber wir können es auch beeinflussen. Und die Art
und Weise, wie wir atmen, beeinflusst halt auch sehr maßgeblich, wie wir uns
fühlen. Und wenn wir unter Stress geraten, wenn wir einfach
hektisch sind, dann wird die Atmung immer flacher, die wird immer weiter nach oben
verlagert, also irgendwann atmet man nicht mal mehr in die Brust rein, sondern nur noch in den
Hals und kriegt eigentlich gar keinen Sauerstoff
mehr. Und wenn wir wirklich entspannt sind, wenn wir kurz vorm Einschlafen
sind, zu Hause im Bett liegen, dann atmen wir so richtig tief in den Bauch
rein und langsam und gemütlich.
Und genau das kannst du ja auch nutzen. Also wenn
ich auf einer Slackline bin und einfach richtig gestresst bin, dann merke ich natürlich,
dass meine Atmung immer schneller wird und immer hektischer wird. Und dann mache
ich halt genau das Gegenteil. Ich fange wieder an, ganz tief und
langsam zu atmen und suggeriere meinem Körper dadurch halt einfach auch,
hey, alles cool, alles easy, alles entspannt.
Ja, jetzt hatten wir schon sogar drei Sachen, die man, glaube ich, auch mitnehmen
kann für andere Ängste. Also Atmung hast du jetzt gerade gesagt
oder auch den Fokus auf etwas lenken, was meiner
Kontrolle unterliegt oder zu Beginn mal überhaupt
zu überlegen, was ist das Schlimmste, was passieren kann. Auf jeden Fall
alles Dinge, die man auch übertragen kann, denke ich, auf andere Ängste.
Ja, gerade Atmen ist wirklich was, was du in jeder
Lebenssituation eigentlich machen kannst, weil du musst es sowieso die ganze Zeit machen
und die Frage ist nur, ob du es konzentriert und bewusst machst oder ob du
es halt so passieren lässt, wie es halt die Situation diktiert.
Und ich glaube, da kann man sich durchaus auch zwischendrin mal einfach
wirklich, seien es auch nur ein paar Sekunden sein, um sich
mal einen bewussten, tiefen Atemzug zu gönnen. Das kann schon
reichen, dass sich die Grundanspannung im Körper schon wieder löst.
Und das ist wirklich kein Zeitaufwand.
Du hast vorher gesagt, die Angst
hat ja auch ihr Gutes. Die soll uns ja auch was sagen.
Klar, du solltest nicht ohne Sicherung über eine Schlucht
laufen. Wie kann man denn unterscheiden, ob die Angst
einem jetzt gerade, sage ich mal, eine wichtige Warnung ist oder
sie einfach nur einen daran hindert, voranzukommen?
Ja, ich glaube, das ist wirklich eine ganz spannende Frage, aber die kann
man schlussendlich nur mit Rationalität beantworten. Also da
musst du wirklich einen Schritt rausgehen aus der Situation, weil Angst ist ja immer eine
Emotion. Und eine Emotion, die überschreibt ja immer
prinzipiell erstmal alle Rationalitäten. Eine Emotion ist
dringender, die ist da und die ist einfach dominant.
Und ich glaube, das sehen wir ja in der heutigen Gesellschaft auch. Wir sind extrem
emotionsgetrieben und vergessen oft, dass wir eigentlich auch
einfach diesen Schritt nach hinten erstmal gehen könnten, mal das Gesamtbild
anschauen und eben mal ganz kalt,
nüchtern, rational beurteilen, ist das
wirklich gefährlich? Und wenn ja, was kann ich dagegen tun?
Und beim Slacklinen ist es ja genau so. Du gehst einen Schritt zurück und denkst dir, ... ... ja
okay, ist es gefährlich? Ja, ist es. Was kann ich dagegen tun? Ich kann mich
sichern. Und dann kann ich
weitergehen. Und wenn ich halt an dem Abgrund
stehe, ... ... habe ich aber halt natürlich einen ganz anderen Gedanken. Da habe ich nicht den
Gedanken, ... ... oh ja, ist ja eigentlich sicher, ... ... sondern da habe ich den Gedanken, oh mein
Gott, ... ... ich könnte
sterben. Und das ist eben genau dieser
Spagat, ... ... oder dass du es halt schaffst, ... ... aus dieser Emotionalität in dem
Moment rauszukommen ... ... und halt ganz klar einfach zu
beurteilen, ... ... was ist Sache, was kann ich tun?
Und das, glaube ich, gilt für alle Lebenslagen. Und wann immer wir Ängste
haben, ist es eigentlich am allerbesten, erstmal diesen Schritt
zurückzugehen, einmal tief ausatmen und sich
einmal überlegen, was passiert hier eigentlich
gerade.
Hast du für dich irgendwie so eine Art Mantra, einen
Leitspruch, irgendwas, was dich begleitet,
um Ängste zu überwinden?
Ja, eigentlich schon irgendwo. Also ich habe so ein Motto, könnte man
vielleicht sagen. Also ich habe mir mal selber so ein bisschen, also das ist
jetzt keine zwingende Regel, aber ich habe mir mal selber so
auferlegt, jeden Tag was zu machen, was mir Angst macht. Jeden
Tag irgendwas zu machen, was ich
nicht so gerne mache. Das
muss jetzt nicht heißen, dass ich jeden Tag aus dem Flugzeug springen will oder Bungee
Jump gehen will oder irgendwas total Extremes machen will, sondern das sind so
Kleinigkeiten. Ich mag zum Beispiel nicht kalt duschen.
Einfach unangenehm, mag ich nicht. Also was könnte ich halt jeden Tag
machen, wenn es sonst nichts ist, kann ich halt den Duschhebel
von warm, wie ich es halt gerne habe, einfach auch
mal auf kalt stellen.
Und schon habe ich was gemacht, was ich eigentlich gerne vermeiden möchte,
oder? Und worum es dabei eigentlich geht, ist, du trainierst deine
Willenskraft. Du trainierst quasi deine Willenskraft, Dinge
zu tun, die dir erstmal unangenehm sind. Weil das
meiste, was wir erreichen wollen, ist halt auf der anderen Seite von so
einem Abgrund. Und dazwischen liegt halt irgendwas, was wir nicht gerne machen.
Und wenn wir genügend Power haben, dann können wir halt über diesen Abgrund drüber,
oder? Und wenn wir die Willenskraft halt nicht mehr haben,
dann schaffen wir es halt nicht drüber. Und das ist halt genauso wie ein
Muskel. Du musst es halt trainieren. Wenn du dich nie anstrengst, nie
aus deiner Komfortzone rausgehst, dann wird es dir auch nicht in dem
Moment gelingen, wo es dir wirklich wichtig ist.
Spannend. Heute kalt geduscht?
Noch nicht, aber der Abend ist noch jung.
Aber die Angst hast du jetzt hier schon überwunden.
Ja, ich bin schon mal wieder vor dem Mikrofon.
Das mache ich eigentlich ganz
gern.
Spannend. Lukas, danke für den Einblick. Ich glaube, da können
sowohl ich als auch viele aus unserem Publikum auch einiges daraus
mitnehmen, weil man glaube ich ganz viele Dinge, die du
gelernt hast und als Erfahrungsschatz mitbringst, auf
andere Situationen auch übertragen kann. Man muss ja nicht immer auf
einer 500 Meter hohen Highline stehen, um
Ängste zu überwinden. Sehr, sehr
interessant. So mit Blick auf die Zukunft, was sind
deine Pläne fürs nächste Jahr? Hast du schon die nächsten Ziele im
Auge und wenn ja, welche?
Ja, über die großen Träume und Pläne, da spricht man immer ungern.
Aber nein, ich habe auf jeden Fall noch einiges zu tun, was das
Handstand Slacklinen angeht. Das ist nach wie vor
etwas, wo ich zwar gute Fortschritte gemacht habe, aber noch nicht ganz da bin,
wo ich gerne hin möchte. Und ansonsten gibt es
noch sehr viele Berge, wo ich gerne meine Slackline spannen
möchte. Es gibt vor allem einen speziellen Berg in der Nähe von
Mont Blanc in Chamonix. Wo wir jetzt schon zweimal dort
waren, um unsere Slackline dort zu spannen und es zweimal nicht geschafft haben.
Weil?
Naja, eigentlich beide Male, weil wir nicht auf die eine Seite
hochgekommen sind. Also es gibt halt da zwei
Gipfel zu erklettern und da muss man auch wirklich relativ
schwierig sehr sehr lange 450 Meter
auf jeder Seite hochklettern. Und im
ersten Jahr haben wir es nicht auf die eine Seite hoch geschafft und dieses
Jahr waren wir eigentlich auf dem Gipfel, haben dort übernachtet und auf der
anderen Seite hat es das andere Team aber leider nicht geschafft. Und dann
sind wir wieder mal unverrichteter Dinge abgezogen. Und
ich hoffe, dass wir das dann nächsten Sommer tatsächlich realisieren können.
Und da ist jetzt das Spektakuläre, dass der Gipfel so schwer zu
besteigen ist. Oder ist es auch eine besondere Höhe oder Kulisse?
Ja, es ist eine absolut krasse Kulisse unterhalb vom
Mont Blanc. Aber es ist tatsächlich so, der eine Gipfel heißt Grand
Capucine und der gilt als der schwierigste Normalweg der Alpen.
Also man könnte sagen, der schwierigst zu besteigende Gipfel der Alpen.
Und lustigerweise ist noch nicht mal der der Gipfel, der
uns so viele Probleme bereitet hat, sondern der auf der
gegenüberliegenden Seite. Aber das ist beim Bergsteigen ganz
oft so, dass die bekannten oder berühmten Gipfel, auch wenn sie sehr
schwer sind, manchmal gar nicht so schwer sind wie die Gipfel, die
daneben liegen, aber auf die keiner hoch geht.
Das kann ich mir vorstellen. Ja, dann drücken wir dir da die Daumen, dass das
nächstes Jahr endlich klappt und der Traum auch noch in Erfüllung geht,
wie so viele andere schon davor. Zum
Abschluss unseres Gesprächs, Lukas, machen wir das hier immer
so, dass wir schon ein bisschen Neugier auf unseren nächsten Gast
wecken. Und das funktioniert folgendermaßen.
Hier für diejenigen, die uns zuschauen, die sehen das auch, ein
Bild unseres nächsten Gastes mit
dabei. Diejenigen, die uns jetzt nur hören,
ja, man sieht einen, wie beschreibe ich das jetzt, Herren
mittleren Alters in Hemd und Sakko, würde ich mal
sagen. Und jetzt wäre natürlich die
Frage, was denkst du, was man von ihm lernen
kann, sozusagen? Wir haben ja heute viel von dir gelernt, Lukas.
Ich gebe dir ein, zwei, drei Hinweise, je nachdem. Der
erste Hinweis ist, er blickt gerne weit zurück.
Blickt gerne weit zurück. Könnte jetzt ein Historiker
sein oder ein
Geschichtslehrer, aber ich würde eher sagen, in dem
Fall vielleicht tatsächlich ein
Historiker.
Ja, also die Wissenschaft ist schon mal die richtige Spur, sage
ich mal. Jetzt Hinweis zwei, er interessiert sich für den Stoff, aus
dem das Leben besteht.
Also für Wasser vielleicht auch.
Unter anderem, ja. Und dritter Hinweis, für ihn sind wir
alle Sternenstaub.
Aha, okay, also dann könnte er wohl ein Astronom sein,
würde ich sagen.
Du bist ihm auf der Spur, genau. Das ist nämlich Professor Andreas
Burkert, Astrophysiker, und von
ihm werden wir in der nächsten Folge von nah, neugierig und
Negroni lernen, warum wir alle aus Sternenstaub
bestehen, ob da draußen noch irgendwo anderes
Leben ist und wie das überhaupt alles begonnen hat mit unserem
Universum. Würde mich freuen, wenn ihr dann wieder
dabei seid. Lukas, an dich sage ich ein
ganz, ganz herzliches Dankeschön. Es war total spannend, von dir
zu hören, was dich antreibt. Ich habe viel gelernt
heute. Das war toll und wir drücken dir die Daumen,
dass du noch viele deiner Träume verwirklichen kannst.
Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank fürs Gespräch und bis zum nächsten Mal.
Feedback geben
Du hast jemanden im Kopf, den du gerne an unserer Bar sehen möchtest? Dir gefällt der Podcast oder du möchtest einfach was loswerden? Dann schreibe uns gerne hier eine Nachricht. Oder auch per E-Mail: contact@nahneugierignegroni.de